Wallis und Futuna

Schon wieder haben wir 300 Seemeilen im Kielwasser gelassen. Mit unserem Bluewaterrunner hätten wir einmal Segel gesetzt und wären ohne Weiteres gemütlich nach Wallis gekommen. Der ruht aber leider in den ewigen Jagdgründen. Damit können wir nicht in einem so günstigen Winkel zum Wind segeln und wir verwenden zum Teil den Motor, um bei Tageslicht anzukommen. Die schwedische SV Ruth ist mit uns zur gleichen Zeit aufgebrochen und kommt zwei Stunden nach uns auf Wallis an. Auch sie sind etwas motorgesegelt.

Zum Einklarieren muss man in die Hauptstadt Mata´Utu. Am Ankerplatz gibt es äußerst ungemütliche Wellen, so dass es sich unruhiger anfühlt, als unterwegs zu sein. Am nächsten Tag sollen wir in der Früh zum Dock zum Einklarieren kommen. Ganz wohl ist uns bei der Sache nicht.

Die Fahrt mit dem Dinghi ist bei extremem Wellengang entsprechend holprig. Wir wissen jetzt schon, dass wir bei der Rückfahrt komplett nass werden, aber bei der Rückfahrt ist das halb so schlimm. Dann muss man den Offiziellen nicht wie eine getaufte Maus gegenübertreten. Ab sofort sind wir wieder in Frankreich. Es wird französisch gesprochen, die Offiziellen beim Einklarieren sind unkompliziert nett und weisen uns auch gleich den Weg zu den nächsten Sehenswürdigkeiten. Die wichtigsten Gebäude sind schnell erklärt, da es nicht viele gibt. Neben der obligatorischen Kathedrale steht der Königspalast. Die Könige von Wallis und auch Futuna sind gewählte Vertreter und auch politisch aktiv. Die Fahnen vor dem großen zweistöckigen Haus, das sich Palast nennt, sind wegen Queen Elizabeth auf Halbmast. Auch hier nehmen also die „Royals“ Anteilnahme am Tod der englischen Königin.

Sim-Karten sind gut, aber aus! Willkommen in Frankreich. Das Frühstück in der kleinen Snackbar am Hafen wird serviert. Wir scheinen vergoldete Eier erwischt zu haben. 20 Euro für 5 Eier mit Brot. Kaffee und Saft kommen extra. Ein kleiner Einkauf im kleinen Supermarkt und schon sind wir an diesem Tag zum zweiten Mal am Bankomaten zum Geld-Abheben. Leider hat der König an diesem Vormittag keine Zeit für eine Audienz, weil er krank ist. Dafür vermittelt uns die Sekretärin des Königs für übernächsten Tag gemeinsam mit Claudia und Bertil von der Ruth einen Ausflug zum französischen Feiertag Patrimoine. Man gibt sich wortkarg über das Programm und wir sind gespannt. Um 7.30 sollen wir vor der Kathedrale sein.

Die Rückfahrt zum Boot mit dem Dinghi ist schon nicht einfach bei hohen Wellen, aber das Festmachen und Einsteigen ist noch schwieriger weil das Heck von Infinity auf und ab hüpft und alle paar Sekunden plötzlich eineinhalb Meter Unterschied zwischen dem Heck und dem Beiboot sind. Das Befestigen des Dinghis an den Davits wird gefährlich und wir schauen, dass wir unbeschadet an Bord kommen und ziehen das Dinghi kurzerhand hinterher ohne es an den Davits hochzuziehen. Hier bleiben wir keine Minute länger. Von der SV Ruth erfahren wir, dass sie ihren Dinghi-Motor nicht vom Schiff auf das Dinghi bringen konnten, weil das auf und ab in den Wellen mit dem schweren Motor zu risikoreich war. Sie sind auf die Westseite in das Lee der Insel gefahren und die Offiziellen haben sie mit dem Auto abgeholt. So geht es auch. 

Wir ankern vor dem Dorf Gahi und haben endlich eine erholsame Nacht ohne Schaukelei. Nachdem es hier auf der Ostseite der Insel in Luv noch immer ordentlich bläst verziehen wir uns hinter eine kleine Insel auf die Westseite und legen einen Badestopp ein. So ganz zufrieden sind wir wegen der vielen Bommies noch nicht mit dem Ankerplatz und wir fahren ebenfalls auf die Ostseite der Insel. Von der Crew der Ruth werden wir freundlich empfangen und sie überreichen uns beim Sundowner Früchte und eine Landkarte der Insel von Michel, dem guten Geist und Funker von Wallis. Er ist immer erreichbar auf Kanal 16 und erfüllt gerne die Wünsche der Yachties. Eine Wanderung zum größten Kratersee der Insel gestaltet sich kürzer als gedacht, nachdem wir nach wenigen Kilometern von einer freundlichen Dame im Pickup aufgelesen werden und direkt zum Kratersee gebracht werden. Am Weg zurück spazieren wir gemeinsam mit Claudia und Bertil noch zu einer altertümlichen Festungsruine aus aufgeschichteten Lavasteinen. An diesem Tag schaffen wir dann doch noch 13 Kilometer zu Fuß. So viel Auslauf tut einmal richtig gut nachdem wir auf See mit unseren knapp 12 Metern Schiffslänge nicht sehr weit kommen. 

Heute ist der Tag des geheimnisvollen Ausflugs. Früh morgens fahren wir mit dem Dinghi an Land. Dinghi-Dock gibt es keines. Bei einem Meter Tidenhub fällt der Dinghi-Strand trocken und wir bringen einen Heckanker aus und machen das Beiboot mit langer Vorleine an Land fest. Das letzte Stück waten wir im flachen Wasser an Land. Jetzt gehen wir zur Hauptstraße und hoffen auf Erfolg beim Auto Stoppen, damit wir die 10 Kilometer bis zur Kathedrale bis 7.30 Uhr schaffen. Auf Wallis gibt es zwei Konstanten. Erstens: beinahe jedes Auto ist ein Allrad-Pickup mit großer Ladefläche und zweitens: beinahe jeder Pickup bleibt bei Fußgängern auf der Straße stehen. Man wird gerne überall hin per Anhalter mitgenommen. Auf der Ladefläche sitzend machen die Fahrer sogar einen Umweg um die Anhalter am gewünschten Punkt abzusetzen. Benzingeld als kleines Dankeschön wird keinesfalls angenommen. Wir wissen nun, warum hier jeder Taxifahrer verhungern würde und es deshalb schlicht keine Taxis gibt. 

Rechtzeitig an der Kathedrale angekommen tönen inbrünstige Kirchengesänge aus den heiligen Hallen. Die Messe ist nicht gut besucht aber heute ist nur ein Staatsfeiertag und kein Kirchenfeiertag oder Sonntag. Nach der Messe werden wir von einer netten Dame auf den Regierungs-Pickup geladen und schon düsen wir im Konvoi los. Es geht zur Festungsruine, die wir bereits besucht haben. Aber diesmal ist es anders. Die Würdenträger der Insel sowie das Personal des Krankenhauses, Delegationen von Hilfsorganisationen und wir vier Touristen dürfen dabei sein. Wir können uns nicht genug wundern, dass wir in diesem exklusiven Kreis dabei sein dürfen. Es gibt ein großzügiges Frühstück mit Ferkel aus dem Erdofen, Bananen, Wurzelgemüse, Brioches, Tee, Trinkkokosnüssen, Obst und vielem mehr angerichtet. Das Frühstück wird als Stehbuffet mit den bloßen Händen vertilgt. Ein unverhoffter Genuss. Staatstragende Reden der Würdenträger in kurzen Hosen, barfuß mit Blumenkränzen. Die meisten Reden sind nicht auf französisch, sondern in der hiesigen Sprache. Die verstehen wir leider nicht. Wallis wurde vom kriegerischen Volk der Tonga-Inseln vor zirka 800 Jahren erobert. Von den Ureinwohnern, die weitere 2.000 Jahre zuvor vom heutigen Taiwan aus die Insel bevölkerten, dürften nicht viele überlebt haben. Diese Festung wurde von den Tonga-Kriegern errichtet um sich vor den Ureinwohnern zu verteidigen. Und schon sitzen wir wieder auf dem Pickup. Langsam realisieren wir, dass der Tross sich heute von einer Sehenswürdigkeit zur anderen bewegt, um gemeinsam der Insel-Geschichte zu gedenken und zu feiern. 

Kirchen gibt es hier in jedem winzigen Dorf. Und zwar ziemlich riesige. Auch wenn die Kirche an unserer nächsten Stelle bloß „Kapelle“ heißt, würde sie in Europa als ausgewachsene Kirche gelten. An dieser Stelle sind die Tonga-Krieger das erste Mal gelandet. Damals gab es zwar noch keine Christen auf der Insel aber später war dies Grund genug, um auch hier noch eine „Kapelle“ zu errichten. Nach einer kurzen Sitzung der Würdenträger geht es auch schon weiter zum Kratersee Lalolalo. Parkplatzmangel wegen der vielen Pickups mitten im Regenwald, Ansprachen, noch mehr Blumenkränze um den Hals. 

Und weiter geht’s zur nächsten Station. Es handelt sich um eine Kirche am Strand. Nun steht etwas Besonderes am Programm. Eine Kava-Zeremonie. Leider verstehen wir nichts von den Ansprachen und Diskussionen, aber am Ende wird aus einem großen Holztopf mit Schalen aus Kokosnusshälften das schlammige Wurzelgebräu ausgeschenkt. Es versteht sich von selbst, dass alle aus der gleichen Schale trinken. Kava wird auf vielen Pazifik-Inseln seit jeher getrunken um sich zu berauschen. Alkohol gab es im Altertum hier keinen, also vertraute man auf die Wirkung der Kava-Wurzel um high zu werden. Kava schmeckt nach Erde und die Zunge wird davon taub, bei Genuss von mehr Kava, auch der Rest des Körpers. Mit unserem kleinen Schlückchen sind wir vom Rausch weit entfernt. Macht nichts, wir wollen diesen Tag ja bewusst erleben. Inzwischen wird das Mittagessen angerichtet. Am Boden wird eine kleine Straße aus Blättern im Viereck aufgelegt. Darauf kommen im Erdofen gegarte Fische, Schweine, Wurzelgemüse, roher Poisson-Cru und so weiter. Wir dürfen uns wieder zu den Würdenträgern gesellen, die an beiden Seiten der Blätterstraße im Schneidersitz am Boden Platz nehmen und ordentlich reinschaufeln. Da wird das gegarte Schwein mit bloßen Händen zerrissen und verteilt. Es kann gut sein, dass das Stück, das man bekommt wie selbstverständlich durch drei verschiedene Hände geht, bevor man reinbeißt. Covid ist hier glücklicherweise wohl kein Thema mehr. Und Besteck und Teller sind vollkommen überbewertet. Man spart sich den gesamten Abwasch. Genüßlich verschlingen die Anwesenden das gute Essen in archaischer Manier. Als Nachspeise pflückt man sich einige Bananen, die in Sträußen von der Decke hängen. Von dem riesigen Bankett wird nur die Hälfte verzehrt. Wir hoffen, dass die zweite Hälfte des Essens auch so dankbare Abnehmer finden wird. Nun geht das Festtagsprogramm zu Ende und wir werden auf der Ladefläche des Pickups rasend zum Ausgangspunkt zurückbefördert. Als wir aussteigen, fühlen wir uns ein wenig als wären wir von einem Traum aus einer anderen Zeit und einer anderen Welt erwacht. Die Veranstalter lachen nur, als wir fragen wieviel der Tag kostet. Und sie haben recht, denn so ein tolles Erlebnis kann man mit Geld nicht bezahlen. Merci beaucoup!

Mit Claudia und Bertil sind wir vier Personen aus vier verschiedenen Nationen Schweiz, Schweden, Deutschland und Österreich. Viele Einheimische fragen uns woher wir kommen und einer lacht und meint, dass „halb Europa“ vor ihm steht. Viele der Einheimischen waren schon in Frankreich und haben dort gearbeitet. Interessanterweise meinen einige, dass Queen Elizabeth, die österreichische Königin gestorben sei, aber alle wissen, dass Österreich in der Nähe von Frankreich sein muss. Viele intensive Begegnungen mit freundlichen Menschen stehen an der Tagesordnung. Man gibt sich nicht zufrieden, einfach jemanden mit dem Auto wohin mitzunehmen. Es findet fast immer ein intensiver herzlicher Austausch statt. 

Wir schielen auf das Wetter, das uns eine gute zweitägige Überfahrt nach Fidschi bescheren soll. Ein nicht vorher gesagter Sturm hat einem Freund bei 55 Knoten Böen gestern das Großsegel gekostet. Das wollen wir so gut es geht vermeiden. Und so warten wir auf unser Wetterfenster und verbringen interessante Abende beim Sundowner mit Claudia und Bertil. Es ist immer wieder schön, Geschichten und Erfahrungen mit neuen Freunden zu teilen und gemeinsam über die lustigsten Begebenheiten in deren Leben zu lachen.  

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