Sydney und der erste Zyklon in Neuseeland

Nach der Wüste freuen wir uns wieder auf Kultur. Kerstin freut sich schon besonders auf die neue Unterkunft, das Glenngarry Castle. Klingt nach Schloss und sie möchte unbedingt einmal in einem Schloss übernachten. Das Hotel ist zwar alt, hat aber weder Schlosscharakter noch neumodischen Schnickschnack wie Klimaanlage; die Fenster sind nicht verschließbar, man kann sie auch von außen einfach hochschieben. Ein eigenes Bad sucht man vergeblich, die Fotos und Angaben im Internet sind doch sehr geschönt, aber es hat einen gewissen morbiden Charme, der gemeinsam mit den Hotelpreisen in Sydney dazu führt, dass wir trotzdem hierbleiben.

Sydney ist noch etwas größer als Melbourne, vor allem aber mondäner. Alleine in den Städten Sydney, Melbourne und Brisbane lebt die Hälfte der 25,7 Millionen Australier. In Sydney gibt es ein gut ausgebautes Netz mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Züge fahren im Minutentakt, Tickets müssen nicht an Automaten gekauft werden. Man hält seine Kreditkarte an die Eingangsschranke und für einen australischen Dollar kann man durch die ganze Stadt fahren. Auch Busse, Straßenbahnen und Fähren funktionieren nach diesem Prinzip. Obwohl wir etwas außerhalb wohnen, sind wir in kürzester Zeit in der Innenstadt. Da sehen wir uns natürlich als erstes das Sydney-Opera-House an. Jeder hat es schon mal auf einem Bild gesehen und wir staunen, wie vielfältig die Ansichten sind. Erst direkt davor kann man erkennen, dass es sich eigentlich um drei Gebäude handelt. Wie bei anderen Baudenkmälern hatte auch hier der Architekt eine Vision, die sich nicht leicht realisieren ließ. Der dänische Architekt Jørn Utzon hat es entworfen. Der Bau begann 1959, wobei sich zu diesem Zeitpunkt technisch viele Dinge noch gar nicht realisieren ließen, die Kosten explodierten und das Opernhaus wurde erst nach 14 Jahren Bauzeit von anderen Architekten fertiggestellt und 1973 feierlich von Queen Elisabeth II. eröffnet.

In den letzten Jahren wurde das Innere der Oper komplett renoviert und wir ergreifen die Chance, ein Violinkonzert im großen Saal anzuhören. Interessanter Weise sitzt zwei Plätze weiter eine ältere Dame, die schon bei der Eröffnung dabei war. Sie versichert, dass sich die Akustik seit der Eröffnung deutlich verbessert hat. Ein Architekt ist eben kein Baumeister und auch kein Akustiker, sondern in diesem Fall ein Künstler – und zwar ein sehr guter. Das Gebäude zieht von allen Perspektiven den Blick auf sich und man kann ihn kaum mehr abwenden. Es wird nie langweilig, dieses Kunstwerk anzusehen. Die Oper ist in verschiedenen Aspekten einzigartig. Die Dächer sind mit weißen schwedischen Fliesen gekachelt und leuchten daher besonders. Auch die Innenräume der Oper sind besonders und anders als alles was man zuvor gesehen hat.

Wir sichern uns für den Abend einen Platz in einer Rooftop-Bar im ältesten Stadtteil „The Rocks“. Der Blick auf die Oper ist leider durch ein riesiges Kreuzfahrtschiff blockiert. Das Ungeheuer bricht endlich mit seinen 5.000 Gästen und einem kleinen Begleit-Feuerwerk auf, um den Blick auf die Oper freizugeben. Wie in Trance starren wir wieder zeitvergessen eine gefühlte Ewigkeit auf das Monument. Klassische Komponisten aus Australien sind weniger bekannt, allerdings wurde zum Beispiel die Rockband AC/DC in Sydney gegründet. In vielen Geschäften und Lokalen laufen deren Hits auf und ab.

Natürlich steht auch hier das maritime Museum auf unserem Programm, hier können wir eine 1:1 Replik der Endeavour von James Cook von innen besichtigen, die bereits zweimal um die Welt gesegelt ist. Sie ist sogar fahrtüchtig und wartet darauf, einen Australientörn starten zu können, der wegen Covid verschoben wurde. Überall finden sich begeisterte Mitarbeiter, die alle Fragen beantworten. Damit bekommt man einen guten Eindruck vom damaligen Seefahrerleben, wobei tief im Rumpf moderne Technik und entsprechende Räumlichkeiten für die Bedürfnisse der heutigen Segler verborgen sind. Zudem ist dort auch ein U-Boot zu besichtigen. Ein Veteran erzählt uns von der Technik und den Begebenheiten unter Deck. Der Großteil der U-Boot-Crew weiß nicht, wo sie unterwegs ist und welche Mission verfolgt wird. Das wissen nur wenige Offiziere. Wenn sie also zurückkommen wissen sie nur, wie lange sie „da draußen“ waren aber nicht warum und wo. Dementsprechend können sie auch niemandem etwas erzählen.

Um uns auf die Tierwelt in der Wildnis vorzubereiten, schauen wir uns den Zoo mit den heimischen Wildtieren an. Dort sehen wir auch die meisten gefährlichen Schlangen, ein paar Süßwasserkrokodile und Frösche sowie Wallabies. Ansonsten lernen wir hier ein Wombat kennen, Kängurus, Tasmanische Teufel, Koalas und ein Schnabeltier. Das Schnabeltier ist ein eierlegendes Säugetier, das so scheu ist, dass es sich auch im Zoo nicht blicken lässt.

Die berühmte Hafenbrücke in Sydney überqueren wir zu Fuß, eine Fähre bringt uns von einem Hafenbecken zum nächsten. Die Fähren sind flott unterwegs und der Verkehr auf dem Wasser ist sehr rege. Der größte Fischmarkt in Australien lockt uns an. Dabei müssen wir feststellen, dass ein Teil des dort angebotenen Lachses aus Norwegen stammt. Der tasmanische wäre viel näher. Der Fischmarkt ist der zweitgrößte der Welt außerhalb Japans und es werden täglich unglaubliche 52 Tonnen Fisch umgeschlagen.

Eine Busfahrt bringt uns an die Küste. Der Bondi-Strand ist der größte Surferstrand in der Nähe von Sydney und die Wellen, die dort ankommen, sind wirklich stattlich. Leider regnet es und wir verschieben den Strandbesuch auf die nördlich liegende Küste. Sydney ist eine schöne und interessante Stadt aber unser Camper wartet auf uns und wir sind schon gespannt darauf, das Land bis Cairns mit dem Camper zu erkunden.

Nach den Erfahrungen mit unserem Jucy-Camper in Neuseeland sind unsere Erwartungen entsprechend niedrig. Und prompt werden wir dieses Mal positiv überrascht. Das Auto ist schon vor der vereinbarten Zeit fertig und auf den ersten Blick in einem besseren Zustand als unser erster. Da wir die Hälfte unseres Gepäcks in Neuseeland gelassen haben, kommen wir mit dem Platz gut aus, auch kann man drinnen gut sitzen. Jetzt werden wir herausfinden, wie die Bedingungen für das Campen in Australien sind. Die CamperMate App ist heruntergeladen und enthält die wichtigsten Informationen. Der nächste Aldi wird angesteuert und der Kühlschrank angefüllt. Wir finden sogar einige Artikel aus dem europäischen Sortiment und freuen uns darauf, beim Campen endlich im Freien sitzen zu können.

Straßenschilder warnen überall vor Kängurus, Koalas oder auch Pferden. In jedem größeren Ort gibt es Pflegestellen, wo im Straßenverkehr verletzte Wildtiere versorgt werden. Bei den Beuteltieren sterben im Straßenverkehr oft nur die erwachsenen Tiere. Die Jungen sind unverletzt im Beutel und werden dann aufgezogen. Bezüglich gefährlicher Tiere lernen wir, dass wir jedes Warnschild ernst nehmen sollten. Wenn man an einem Strand keine Leute im Wasser sieht, hat das einen Grund und man tut gut daran, vorher zu fragen bevor man einen Fuß ins Wasser setzt. Ansonsten könnte man als Krokodilfutter enden oder mit der Strömung in den Pazifik gezogen werden.

Eine Lanze müssen wir jetzt für asiatische Autos brechen. Unser Nissan-Camper mit Benzinmotor und Automatikgetriebe hat 443.000 km auf dem Buckel und wurde sicher nicht sehr zart behandelt. Das Auto selbst funktioniert technisch ausgezeichnet wie auch der ähnlich betagte Toyota-Camper in Neuseeland. Wie ein Ex-Arbeitskollege von Martin schon sagte: “So eine Reisschüssel ist nicht umzubringen.” Die Autofahrer sind in Australien wie auch in Neuseeland sehr diszipliniert. Die Strafen sind drakonisch und alle halten sich an die Regeln. Wir haben in 5.000 km in diesen Ländern bis jetzt keinen einzigen Raser oder Drängler erlebt. Das liegt vielleicht mitunter auch daran, dass die LKWs die gleiche Geschwindigkeit wie die PKWs fahren dürfen. 110 km/h auf der Autobahn. Dadurch entsteht nicht oft der Bedarf, dass man überholen muss oder wegen ausscherenden Autos schärfer bremsen muss und der Schilderwald wird obendrein reduziert. So ist das Autofahren in diesen Ländern sehr entspannt auch wenn in Australien der Verkehr an der bevölkerungsreichen Ostküste viel stärker ist als in Neuseeland. Wir vermeiden es, in der Nacht zu fahren. Die Wildtiere sind dann verstärkt unterwegs und viele Camper kommen mit Wildschaden halbwegs zerstört zurück. Deshalb werden sie auch alle paar Wochen neu lackiert und sehen von außen wie neu aus. In der Dämmerung hüpft uns beinahe ein Känguru vor das Auto, in letzter Sekunde überlegt es sich dann doch lieber auf dem Sportplatz ein Runde zu drehen.

Unsere Infinity parkt noch immer im Trockenen in Whangarei – Neuseeland. Ein Grund dafür ist, dass Neuseeland außerhalb des Zyklongürtels liegt. Zyklone richten jährlich immense Schäden an und man muss hohe Auflagen erfüllen um in der Zyklonzeit dort versichert zu bleiben. Deshalb auch unser holpriger Ritt nach Neuseeland. Den Wetterbericht verfolgen wir trotzdem laufend. Geschockt hören wir, dass die Nordinsel Neuseelands seinem ersten Zyklon im wahrsten Sinne des Wortes “ins Auge” blickt. Der Zyklon namens Gabrielle rauscht auch haarscharf an der Nordinsel vorbei und verursacht Überschwemmungen und Zerstörung. In Whangarei mit 110 km/h Windgeschwindigkeit und 330 mm Niederschlag in wenigen Stunden. Laut Auskunft der Werft ist bei Infinity alles in Ordnung. Wir hoffen es und glauben es erst wenn wir uns selbst davon überzeugen konnten. Durch den zunehmenden Klimawandel kann man sich auf die Erfahrungen der Vergangenheit kaum mehr verlassen. Ab Herbst steigt die Wahrscheinlichkeit des durch die Ozean-Erwärmung geprägten El-Nino-Phänomens, was der nächsten Segelsaison wahrscheinlich unstete Winde und mehr Wetter-Kapriolen bescheren wird. Es bleibt spannend.

Jetzt geht es aber erstmal auf vier Rädern in die Blue Mountains von Australien bei Schönwetter.

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