Sydney Richtung Norden

Wir sind auf der anderen Seite der Welt, deshalb liegt der Äquator nördlich und auch einige andere Dinge sind verschieden. Natürlich wird auch links gefahren. Dieses Mal haben wir sogar einen Aufkleber hinterm Lenkrad, der in der Innenscheibe „keep left“ reflektiert. Die Strecke ist grob geplant, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten sind auf Google Maps markiert. Als erstes steuern wir die Blue Mountains an, einen Nationalpark mit Eukalyptuswäldern, deren ätherische Öle die Luft mit viel Fantasie bläulich färben. Dazu gibt es auch einige Kultstätten der Aboriginals, unter anderem auch eine Felsformation namens Three Sisters, drei Felsnadeln, die wir besichtigen. Prinzipiell haut uns das Gebiet nicht vom Hocker, blauen Dunst haben wir vorher schon gesehen, die Felsen sind auch nicht die Dolomiten, aber das stört uns nicht. Wir haben mittlerweile so viele schöne Dinge sehen dürfen, dass es die neuen Eindrücke schwer haben, als „besonders“ wahrgenommen zu werden. Die Täler der blauen Berge waren früher mit Sand gefüllt, welcher über Jahrmillionen ausgeschwemmt wurde und dann mehr als 500 Kilometer weiter nördlich als das heutige „Fraser Island“ wieder liegen blieb.

Wir gehen es langsam an. Die Camping-Regeln sind für uns neu, so müssen wir erst einmal herausfinden, was es mit den ganzen Schildern so auf sich hat. Dank Internet finden wir uns halbwegs schnell zurecht. Wild Campen ist grundsätzlich verboten, es gibt aber einige gratis Rastplätze an den Hauptrouten, wo man über Nacht stehen bleiben darf. Für uns ideal. So fahren wir von den blauen Bergen gleich noch ein Stück den Highway 1 hinauf ins Hunter Valley, in das älteste Weinbaugebiet Australiens. Wir machen eine Verkostung auf einem kleinen Familienweingut. Preis und Geschmack stehen für uns nicht im rechten Verhältnis. Die Gegend ist sehr schön, die Weinkellereien groß und modern eingerichtet.

Aber es zieht uns wie so oft zum Meer. Daher fahren wir zur Nelson Bay, welche in einem natürlichen Hafenbecken liegt – Port Stephens nennen es die Australier. An den Stränden kann man nur dann campen, wenn man einen Allrad-Antrieb hat. Denn man muss mit dem Auto über die Sanddünen fahren um dorthin zu kommen. So nehmen wir einen Campingplatz außerhalb des Strands und beschließen, den Samurei-Strand, den wir ursprünglich anvisiert haben, zu Fuß in Angriff zu nehmen. So können wir gleich am Beginn des Weges zusehen, wie ein Einheimischer seinen Allrad für die Sandpiste präpariert. Zuerst wird Luft aus den Reifen gelassen, damit sich die Räder nicht so leicht eingraben. Prompt werden wir gleich von ihm zum Strand mitgenommen. Die Fahrt ist holprig und gar nicht so einfach. Wenn der Sand trocken ist, sollte man möglichst nicht stehen bleiben. Das neuerliche Anfahren könnte schwierig werden. Der Strand hat keine Sonnenschirme oder -liegen. Man fährt mit seinem Fahrzeug zu seinem Lieblingsplatz, spannt die Markise auf und genießt den Tag. Wir haben leider keinen Sonnenschirm mit, hüpfen aber begeistert in die Wellen, wo sich insbesondere Surfer in unserem Alter finden. Die Jungen müssen wohl heute – an einem Wochentag – arbeiten. Es dauert nicht lange und wir werden unter eine schattige Markise eingeladen. Mit dem Ozonloch über Australien ist nicht zu scherzen. Unter Schutzfaktor 50 bekommt man hier keine Sonnencreme zu kaufen, weil sinnlos. So kommen wir ins Plaudern und lernen einiges über Land und Leute kennen. Ein Teil der Bevölkerung stammt von den Gefangenen ab, die zum Arbeiten aus England hergebracht wurden. Die Besiedelung hat erst Ende des 18. Jahrhunderts begonnen. Mittlerweile sind 76 Prozent der australischen Bevölkerung europäischen Ursprungs, zwei Prozent sind Aboriginals und der Rest größtenteils asiatischen Ursprungs. 29 Prozent der heutigen Bevölkerung wurde nicht in Australien geboren. Zuwanderung ist also auch hier ein großes Thema.

Für uns geht es weiter über Port Macquarie nach Byron Bay. Die ehemalige Hippie-Kolonie Byron Bay ist richtig hip. Nette Geschäfte, Lokale und endlose goldfarbene Sandstrände. Die Leute sind entspannt und feiern als gäbe es kein Morgen. Wahrscheinlich haben sich deshalb hier auch einige Filmstars niedergelassen. Paul Hogan von „Crocodile Dundee“, Chris Hemsworth von „Thor“ und Matt Damon von der „Bourne“ Trilogie trifft man hier von Zeit zu Zeit an. Wir verstehen warum. Der gechillten Ex-Hippie-Atmosphäre in Byron Bay kann man sich kaum entziehen.

In der Millionenmetropole Brisbane drehen wir eine Runde mit einem geliehenen Elektroroller. Im Vergleich mit Melbourne und Sydney tut sich Brisbane naturgemäß schwer. Wie überall ist es auch hier sehr sauber und ordentlich. Es gibt liebevoll restaurierte ältere Gebäude und tolle Wolkenkratzer. Ein angesagtes Viertel am Fluss und schöne Stadtspaziergänge.

Wolkenkratzer direkt am Strand. Das ist die Stadt „Goldcoast“ mit dem Stadtviertel „Surfers Paradise“. Hier kann man direkt von seinem Appartement im 60. Stock mit dem Lift runter an den Sandstrand fahren, wenn man ein paar Millionen australische Dollar für eine Wohnung ausgeben kann und will. Der Strand ist keineswegs überlaufen und in jeder Welle dümpeln Surfer, die auf die perfekte Welle warten. Die lassen hier nicht lange auf sich warten. Nicht umsonst heißt es hier „Surfers Paradise“. Die Wellen brechen sich laufend am Strand und transportieren die Wellenreiter in kurzer Zeit ans Ufer. Die meisten machen das äußerst gekonnt und haben wohl schon einige Übung darin. Hier tummeln sich viele Urlauber aus Australien und die Freizeitangebote überschlagen sich wie die Wellen am Strand. Die Goldcoast ist für die australischen Pensionisten so etwas wie Miami Beach für die Amerikaner.

Viele Zufallsbekanntschaften erzählen uns, dass wir uns unbedingt die Sunshine-Coast und Noosa anschauen sollen. Leider scheint keine Sonne, dafür finden wir einen Campingplatz, der zwar schon geschlossen ist, trotzdem eine geöffnete Schranke hat. Somit quartieren wir uns kurzerhand ein und haben eine gute Bleibe. Noosa hat einen Nationalpark und Strände im Osten und Norden und ist in der Surferszene sehr beliebt. Der Ort ist gemütlich und das Meer frei von Haien und Krokodilen. Je weiter wir nach Norden fahren, desto gefährlicher ist es im Meer. Daher ist es dann mit den Surfer- und Badestränden auch vorbei. Hier heißt es „Achtung Quallen, Achtung Bullenhaie, Achtung Salzwasserkrokodile“.  Die Krokodile werden von den Australiern liebevoll „Crocs“ genannt. Uns würde eine der drei Warnungen schon reichen, aber an vielen Stränden kommen alle drei Arten dieser Tierchen vor. Es gibt auch öfter Unfälle mit Bullenhaien, die allerdings selten tödlich ausgehen.

Nachdem das UNESCO Naturreservat Fraser Island den größten Regenwald auf Sand beinhaltet, müssen wir da einfach hin. Wiederum ist ein Allrad-Fahrzeug gefragt, das wir nicht aufbieten können. Macht nichts, es gibt auch Tourenanbieter mit Allrad-Bussen. Mit der Fähre geht es morgens auf die Insel und der Bus brettert mit 80 km/h über den vom Meer plattgedrückten Sandstrand. Straße – Fehlanzeige. Teilweise spritzt die Gischt und alle Fenster des Busses werden für eine gefühlte Ewigkeit blind vom Salzwasser. In der Windschutzscheibe sehen wir ein Kleinflugzeug im Landeanflug auf uns zukommen. Zuerst denken wir das sei ein Scherz und das Flugzeug würde nicht landen. Alle ducken sich. Knapp hinter uns setzt es auf dem Strand auf. Wir atmen auf, der Busfahrer verzieht keine Miene. Der Strand dient nicht nur als Straße sondern selbstverständlich auch als Flugzeugpiste.

Danach geht es mitten über die Insel in den Regenwald. Die riesigen Bäume sind mehrere hundert Jahre alt. Laut Führer gibt es an entlegenen Stellen Exemplare, die mehr als tausend Jahre alt sind. Bei einer kurzen Wanderung durch den Wald gellt plötzlich ein Schrei. Ein kleiner Blutegel klebt am Knöchel einer Dame. „Das kann hier schon mal vorkommen“ meint der Guide vom Typ „Crocodile Dundee“ lachend. „Wenn man sie erst am Abend zuhause runternimmt, sind die Viecher dann größer weil sie sich vollsaugen“. Mit Salz bestreut gehen sie am einfachsten wieder herunter, meint er. Über die Pisten im Regenwald geht es weiter. Anschnallen ist ein Muss, ansonsten würde man alle paar Minuten vom Sitz katapultiert. Der nächste Halt ist einer der vierzig Süßwasserseen der Insel. Ein Paradies aus dem kitschigsten Traum. Inmitten des dichten Urwalds öffnet sich ein gleißend weißer Sandstrand mit dem dahinterliegenden See „McKenzie“. Unbeschreiblich. Das Wasser hat eine angenehme Temperatur und wir schwimmen eine Runde. Essen darf man hier ausschließlich in dafür eingerichteten eingezäunten Bereichen, da die immer hungrigen Dingos – Abkömmlinge von Wölfen – im Busch lauern. Man darf Essen auch keinesfalls im Rucksack mitnehmen, da dieser sonst von den Dingos entführt wird. Wir sehen diese hundeartigen Wesen später auch am Strand. Richtig abgemagert sehen sie aus. Füttern ist strengstens verboten, da es sich um die letzten wilden Dingos handelt. Man möchte ihre Wildheit in diesem Reservat um jeden Preis erhalten. Die 100 km lange Sandinsel „Fraser Island“ wartet zu allem Überfluss noch mit einem kleinen Fluß auf, der sich aus dem Regenwald direkt über den Sandstrand in den Ozean ergießt. Die Fahrer der allradgetriebenen Gefährte werden zu Kindern, wenn sie durch die Ausläufer des Flusses fahren. Unser Fahrer erzählt uns, dass er mit 11 Jahren von seinem Vater das Fahren auf Sand gelernt hat, damit dieser während der Strandausflüge Bier trinken konnte. Seine Tochter war etwas älter, als er ihr ebenfalls das Fahren am Strand beibrachte. Offroad Fahren und Campen ist ein beliebtes Hobby der Aussies. Dabei kommen die wildesten selbstumgebauten Gefährte zum Vorschein. Solarpanele und Kühlbox sind eine Selbstverständlichkeit. Markise und Zeltvordach ein Muss. Bei den Pickup-Trucks wird auch mit PS nicht gespart. Jetzt werden wir noch zum gestrandeten Schiff gebracht, das nur noch aus einem rostigen Gerippe besteht. Vergeblich wurde versucht, es wieder flott zu machen. Schließlich diente es für Schießübungen der Marine. Am Ende seines Lebenszyklus ist es nun eine Touristenattraktion. Der 12-stündige Ausflug verstreicht wie im Flug und schon finden wir uns wieder in unserem hinterradbetriebenen Nissan-Camper wieder und sind nach dem Trip froh über die weichgefahrenen Stoßdämpfer.

Nun lassen wir gut 800 km hinter uns. Stopps in Maryborough, Gladstone, Bundaberg und Mackay halten uns am Weg in das Cape Hillsborough Reservat wach. Hier kommt man wegen der Kängurus her. Sie leben praktisch rund um den und am Campingplatz. Die morgendliche Fütterung am Strand ist das Highlight. „Kangaroo“ heißt in der Sprache der Eingeborenen: „ich verstehe nicht“. Angeblich wurde die Frage der Einwanderer nach dem springenden Tier mit einem „ich verstehe nicht“ der Eingeborenen quittiert. Seitdem heißen die putzigen Hüpfer eben „Kangaroos“. Hier sind die Wildtiere an Menschen gewöhnt und lassen sich mit Genuss am Rasen des Campingplatzes kraulen, morgens posieren sie für Fotos am Strand und am Abend besuchen sie einen schon mal in der Nähe des Campers. Zwischendurch hört man sie schon von einiger Entfernung den für Wanderer eingezäunten Spazierweg entlang hüpfen. Man könnte glatt meinen, die Tierchen trainieren für einen Marathon. Wieder ist jeglicher Kontakt mit dem rauschenden Ozean untersagt wegen Crocs, Bullenhaien und so weiter. Macht nichts, wandern ist auch schön.

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