Wir legen ab Richtung Fatu Hiva und können am Wind die angeblich schönste Bucht der Marquesas anliegen. Die Bolzerei gegenan ist zwar nervig aber nach 130 Seemeilen liegen wir in der wunderschönen Bucht „Hanavave“ auf Fatu Hiva. Sie hieß früher aufgrund der einschlägig geformten Felsen „Bucht der Penisse“. Die Missionare haben einen Buchstaben hinzugefügt und nun heißt sie „Bucht der Jungfrauen“. Wie praktisch so eine Sprache sein kann. In dieser Bucht gibt es alles von steilen felsigen Klippen über bewaldete Abhänge, palmengesäumte Ufer, Korallen, Sandgrund, ein wunderschönes Tal mit tropischen Pflanzen und Früchten, mindestens 5 verschiedene Grüntöne bis zu hohen Berggipfel. Das kleine Dorf hat ein winziges Geschäft, das fast nie offen hat, einen Fußballplatz und es gibt natürlich eine Kirche – aber ohne Glas in den Fenstern. Damit kann man dem Gesang auch von außen genießen.
Hier erleben wir das komplette Kontrastprogramm zu Nuku Hiva. Fünf bis sieben Jachten liegen neben uns in der Bucht. Der Ankerplatz ist nicht ideal. Man muss eher im tieferen Wasser ankern, da im flachen Teil der Anker nicht hält. Durch die Hügel rundherum kommen immer wieder Fallböen, die alle Schiffe wild an ihren Ankerketten zerren lassen. Da sind wir mit unserem Katamaran wirklich gut dran weil er in den Wellen weniger rollt. Eine amerikanische Familie begrüßt uns mit ihrem Dinghi und fragt uns, ob wir am nächsten Tag Lust haben, mit ein paar anderen Seglern an einem Barbecue teilzunehmen. Da sagen wir gerne zu. Ist immer wieder schön, neue Leute kennenzulernen.







Allerdings ist unser Rigg-Projekt noch nicht abgeschlossen. Richtig zufrieden sind wir noch nicht. Also fragt Martin wieder einige „Experten“, geht aufs Nachbarschiff mit ähnlichem Rigg und überprüft, wie straff die Wanten dort sind. Dort erfährt er, dass sie das Rigg erst vor kurzem überprüfen lassen haben. Es sei alles in Ordnung. Es fühlt sich aber ziemlich locker an. Oliver, unser technischer Support aus Österreich, hat uns die Lösung des Problems recht einfach erklärt. Die herkömmlichen Werte der Wantenspannung passen für uns nicht so ganz, da wir kein Achterstag haben und daher die Spannung an den leicht nach hinten ziehenden Wanten größer sein muss. Mit Hilfe eines Zollstockes und einer Schiebeleere kann man messen, wie stark sich die Wanten beim Spannen recken. Laut Anweisung sollte sich die markierte Want beim Spannen der Wantenspanner um 4 mm recken. Wir kommen ordentlich ins Schwitzen und sind noch immer nicht zufrieden. Tags drauf gehen wir zurück an den Start. Alles wieder lockern und gleichmäßig die Wanten spannen. Die Anzeige am Zollstock stimmt diesmal genau mit unseren Maßnahmen zusammen. Mit dem Gennakerfall messen wir den Abstand an jeder Seite. Das sagt uns, der Mast steht gerade. Die korrekte Spannung ist nun auch hergestellt und fühlt sich auf jeden Fall höher an als jene, die unsere bisherigen Rigger bei ihren Überprüfungen durch bloßes Rütteln als gut befunden haben. Wir vertrauen bei diesem Thema eher den Zahlen als dem Gefühl sogenannter “Experten” und beschließen daher, keine Experten mehr an unser Rigg zu lassen. Eine Feinabstimmung unter Segel werden wir noch vornehmen.
Schließlich wollen wir uns das Dorf in der Bucht auch einmal ansehen. Es ist beschaulich und es gibt nicht viel. Der Shop schließt vor der angegebenen Zeit, sodass wir am Sonntag nach der Messe wiederkommen.






Der Barbecue-Abend mit den anderen Seglern ist sehr lustig. Elf Gäste aus sechs verschiedenen Ländern sitzen am großen Esstisch im privaten Heim einer hier geborenen früheren Tourismusmanagerin, die jahrelang in Frankreich gelebt hat. Desirée spricht verständliches Französisch sodass wir beinahe alles verstehen. Die Unterhaltung ist witzig, in einem Mischmasch aus Französisch, Englisch und ein bisschen Polynesisch. Desirée tischt groß auf. Ihr Mann Jaques grillt Hühnchen und Wildschwein, dazu wird Sashimi, Poisson cru, Reis, Bananen und Brotfrucht-Frites gereicht. Getränke und Besteck bringt jeder selber mit. Zum Nachtisch bringen Brigitte und Kate französische Tarte beziehungsweise englischen Honig-Mandel-Kuchen mit. Mit neuen Freundschaften fallen wir am Abend satt ins Bett.
Hier auf der Insel gibt es genau eine 17 Kilometer lange Straße zwischen unserer Bucht Hanavave und dem Hauptort Omoa über sehr steile Serpentinen. Die höchsten Erhebungen sind im Landesinneren über 650 Meter hoch. Nachdem wir auf dem Schiff unsere Beine ja nicht wirklich strapazieren, möchten wir auch ein wenig wandern. Bei fehlender Kondition lassen wir es erst mal ruhig angehen und nehmen das Angebot eines Einheimischen an, uns bis zum Gipfelkreuz zu fahren an. Pünktlich sind wir am vereinbarten Treffpunkt, aber von dem jungen Mann fehlt jegliche Spur. Daher beschließen wir, auf Schusters Rappen hinauf zu gehen. Der Anstieg ist ziemlich steil, aber nicht schwierig. Einige Kehren sind so steil, dass ein Auto hier auch nicht viel schneller sein kann als wir zu Fuß. Von Weitem sehen wir auf dem zweiten Bergrücken etwas, das ausschaut wie eine Aussichtsplattform. Oben angekommen sehen wir die „Plattform“. Es ist ein Bagger, der von Straßenarbeiten pensioniert dort abgestellt ist. Martin setzt sich gleich begeistert drauf. Der Blick von hier oben bestätigt die vielgepriesene Schönheit der Bucht, zu der man praktisch nur als Segler hinkommen kann. Auf dem Rückweg machen wir noch einen Umweg zum Wasserfall. Der Weg soll sehr schön sein und weit ist es auch nicht. Mit der Zeit wird der Weg allerdings zum tropischen Urwald, wo eine Machete ganz hilfreich wäre, Bäche und Stolpersteine liegen auf dem Weg, sodass wir nach einem kleinem rauschendem Wasserfällchen zurückkehren. Wieder unten angekommen haben wir zwar wackelige Beine, freuen uns aber, dass wir die zwölf Kilometer nach unserer längeren beintrainingsfreien Zeit geschafft haben.





Auf der Insel gibt es zwar Geld aber viel lieber tauschen die Einheimischen tropische Früchte gegen Leinenstücke, Fischköder zum Angeln und 22er Patronen für die Ziegenjagd. Munition darf man allerdings nicht einführen. Berühmt sind die Schnitzereien der Marquesas aus Holz, Tier- und Walknochen. Mit moderner Gerätschaft wird in offenen Werkstätten fleißig gearbeitet. Auch bekannt sind die marquesischen Tatoos mit wunderschönen Mustern. Früher trugen die Eingeborenen diese Tatoos statt Kleidung. Mittlerweile dient sie als Ergänzung.
Für den Abend laden wir Hermann zum Essen ein, der inzwischen auch in der Bucht ankert. Martin steht praktisch direkt vor seinem 50. Geburtstag. So speisen wir Fisch, genießen einen guten Rotwein und zum Sonnenuntergang gibt es perfekten Mai Tai von Kerstin. Die Sonnenuntergänge hier sind vom Farbenspiel her traumhaft. Die Dämmerung zeigt Farben in den schönsten Pastellfarben bis hin zu gelbbraun und zartem violett. Eine Kombination, die wir im Atlantik nicht gesehen haben. Allmählich ruft uns die Zivilisation und wir segeln los Richtung Atuona auf Hiva Oa. Wie könnte man seinen Fünfziger schöner verbringen als segelnd bei Traumwetter mit 16 Knoten Wind von 140 Grad achtern. Mit Familie und Freunden wäre es noch schöner, aber das holen wir nach.