Auf dem Weg nach Komodo

Die Trennung von Wayag fällt uns ziemlich schwer, allerdings haben wir noch einiges vor uns. Daher brechen wir bei einem guten Wetterfenster auf, Wind ist hier nämlich Mangelware. Motoren geht, schlägt uns aber aufs Gemüt. Wir haben bisher Glück gehabt, auch die befürchteten Regenfälle bleiben aus. Auf dem Weg passieren wir zum mittlerweile dritten Mal den Äquator. Die Taufe haben wir im Pazifik hinter uns gebracht, also brauchen wir keine Rituale mehr durchführen, sondern genießen den Wind und das Meer.

Kurzvideo: Eine Delfinherde kreuzt unseren Kurs

So segeln wir zunächst nach Buru Island zum Dorf Tifu. Von dort aus kommt man zur einzigen Sehenswürdigkeit, dem „Village in the Cloud“. Wir kommen am späten Morgen an und fahren gleich an Land. Einige Kinder rufen schon von weitem: „Hey Mister“ und helfen uns beim Festmachen des Dinghis und beim Müll entsorgen. Tatsächlich gibt es hier sogar kleine Läden, in denen man Bintang, das lokale Bier, kaufen kann. Zwischen den verstaubten und baufälligen Hütten steht ein neuer Toyota-Pickup. Das ist eines der wenigen Fahrzeuge, die aufgrund ihrer Geländegängigkeit inseltauglich sind. Wir lassen uns vom Sohn des Lehrers zum Dorf in den Wolken kutschieren. Zu sagen, dass die Straßenverhältnisse katastrophal sind, wäre weit untertrieben. Die Landschaft ist sehr abwechslungsreich von Regenwald bis hin zu Bergen über 2.000 Meter Höhe. Nach langem Schaukeln und Hüpfen kommen wir beim Dorf in den Wolken an und sehen es ohne die namensgebende Wolken. Dafür knallt die Sonne vom Himmel und der angegebene Pfad einen Berg rauf besteht aus Geröll. Wegen rutschigen Flipflops kehrt Kerstin wieder um. Die Wunden von der letzten Kletterei sind gerade erst verheilt. Eigentlich sieht man das Dorf auch von der Straße aus. Martin erklimmt den Gipfel und kommt wieder heruntergerutscht. Unsere Guides erklären uns dann, dass das Dorf nur am frühen Morgen in den Wolken ist, da es in einer kleinen Senke liegt und es abends deutlich abkühlt. Morgens verdunsten dann die Wolken. Die Einheimischen freuen sich jedenfalls über die Fahrt. Sie können gratis auf der Ladefläche mitfahren und auch gleich Gepäck mit zum Dorf nehmen. Im Dorf gibt es einen Tümpel zum Abkühlen. Direkt beim Eingang sitzen Frauen und Kinder beim Wäsche waschen, im Hintergrund sind Männer und größere Buben beim Baden zu sehen. Auch hier sind die Kinder fröhlich und neugierig, sodass sie sich sofort um und scharen.

Unser nächstes Ziel ist der Nationalpark Wakatobi, zusammengesetzt aus den Inseln Wangi-Wangi, Kaledupa,Tomia und Binongko. Es gilt als Taucherparadies, allerdings haben seit Covid die meisten Resorts und Tauchcenters geschlossen und noch nicht wieder geöffnet. Somit ist der sonst lebhafte Ankerplatz wie ausgestorben. Nahang, ein Einheimischer aus Kampung Bajo Sambilla hilft uns aus und organisiert ein Boot, einen Tauchguide und Tanks, sodass Martin tauchen kann. Das Boot ist klein und kippelig, es leckt, der chinesische Einzylindermotor klingt wie ein Hubschrauber – auch die Lautstärke entspricht dem. Falsche Anschlüsse auf den Tauchflaschen, deshalb retour zu Infinity um einen Inbusschlüssel zu holen. Eine Flasche stellt sich als leer heraus, kommen wir halt etwas früher zurück. Die Einheimischen sind aber redlich bemüht und improvisieren mit allem was sie haben. Die Preise sind günstig und so gibt es keinen Grund zur Beschwerde. Als Snack zwischendurch wird roher soeben harpunierter Papageienfisch serviert. Man isst ihn wie Gollum in “Herr der Ringe”. Die Tauchplätze spotten jeder Beschreibung und jedem Foto sowie Video. Quirrliges Leben vor einer Farbexplosionskulisse. Meist weiß man nicht wo man zuerst hinschauen soll.

Auch die hier befindliche Seestadt erinnert an “Herr der Ringe”. Nahang gehört zum Volk der Bajo. Das sind Seenomaden, die Dörfer ins Wasser ohne Landanschluss bauen und vom Fischfang leben. Die Dörfer sind weit weg vom Land gebaut, da oft Riffe den Weg zum offenen Meer und damit zum Fischen versperren. Zudem kommen so weit draußen keine Insekten angeflogen. Die Bajo sind eine eigene ethnische Gruppe, die im Prinzip staatenlos und daher vom staatlichen Bildungssystem ausgeschlossen ist. Ursprünglich waren die Dörfer auf Booten, die zusammenhingen und im Wasser trieben. Diese werden allerdings immer weniger. Stattdessen siedeln mehr und mehr Bajo aufs Festland, um den Kindern Bildung zu ermöglichen. Auch Nahang ist Analphabet und schickt immer Sprachnachrichten, was auch bei der Abrechnung zu Missverständnissen führt, zumal er auch nicht rechnen kann. Auch haben sie ihre eigene Sprache, eine von 745 in Indonesien gesprochenen Sprachen plus unzähligen regionalen Dialekten. Durch den Tourismus hat Nahang ein wenig Englisch gelernt, womit er Kontakt zu den Touristen hält. Stolz präsentiert er sein Dorf, das man nur bei Hochwasser gefahrlos erreichen kann. Die Häuser stehen auf Pfählen, und damit hören die Gemeinsamkeiten mit Venedig auch schon auf. Die Konstruktionen bestehen aus Holz und vermehrt auch Bambus. Die Bambus-Stämmchen werden halbiert und als Bodenbelag verwendet, Übergewichtige gibt es nicht. Diese würden ansonsten im Wasser landen. Die Stege, die als Straßen zwischen den Häusern fungieren bestehen zum Teil aus alten, kaputten Segelbooten und alles wackelt. Wenn die Kinder im Haus herumtoben, wackelt die gesamte Konstruktion. Nahangs Frau kocht uns in ihrer geräumigen Küche einen frisch gefangenen Fisch. Währenddessen schauen wir uns ein Hotelzimmer an, das Nahang vermietet. Es ist eine Bambushütte auf eigenen Pfählen mit kleinem Wohnzimmer und Schlafzimmer, wobei der einzige Einrichtungsgegenstad eine Matratze ist. Das „Bad“ besteht aus einem Loch im Boden. Daneben steht ein Wasserbottich mit einer großen Kelle. Ein weiteres Hotelzimmer ist in Bau. Vermieten möchte er an indonesische Gäste. Das Leben im Dorf ist unglaublich spannend anzusehen, insbesondere auch die Zufriedenheit und Freundlichkeit der Leute.


KurzVideo Tauchen in Wakatobi

Es gibt wieder Wind zum Segeln und so kreuzen wir nach Bau Bau, einer größeren Stadt, die einige Geschäfte hat und Martins IPhone reparieren kann. Dies hat in Wayag einen unglücklichen Sturz hingelegt und damit das Display und die dazugehörigen Funktionen ruiniert. Ein Mitarbeiter des Tourismusbüros erwartet uns schon am Dinghi-Schwimmsteg und organisiert ein Auto mit Fahrer, der nicht nur Englisch spricht, sondern auch rudimentäre Spanisch-, Italienisch-, Französisch- und Deutschkenntnisse besitzt. Hier gibt es keine Taxis und die Einheimischen sprechen kein Englisch. Ohne Fahrerübersetzer ist man also total aufgeschmissen. Tady bringt uns kreuz und quer durch die ganze Stadt, organisiert die Handyreparatur, übersetzt in jedem Geschäft und erfüllt jeden unserer Wünsche. Kerstin muss mal wieder zum Friseur. Der empfohlene Salon wird angesteuert, die Türe lässt sich öffnen. Im Inneren liegen ein paar Frauen auf dem Boden und schlafen. So ruhen sie sich zwischen den Kundinnen aus und spielen mit den herumlaufenden Kindern. Bezüglich Frisur übersetzt Tady und die Damen scheinen verstanden zu haben. Martin sagt, Kerstin solle ihr Handy auf laut stellen, damit sie ihn hört, wenn er sich meldet. Klar, kein Problem. Nur, wo ist es denn? Die Sucherei geht los, im Auto ist es nicht, also muss es im letzten Geschäft gewesen sein, oder ist es gar gestohlen worden? Martin macht sich mit Tady auf die Suche, sie schauen sich Überwachungsvideos an, nur um zu sehen, dass Kerstin ihr Handy beim Rausgehen aus dem letzten Geschäft wieder eingesteckt hat. Im Salon kommt plötzlich eine der Damen mit Kerstins Handy daher, es ist auf dem Tisch im Friseurladen gelegen. Die an Martin sofort gesendete WhatsApp-Nachricht kann er natürlich erst auf seinem Handy empfangen, als es repariert ist.

Beruhigt sucht Kerstin die Haarfarbe aus. Die von der Sonne gebleichten Haare haben mittlerweile einen Kupferton, den ihr die Damen auch für den Ansatz empfehlen. Kerstin hält dagegen, da am Ansatz die Haare mittelbraun sind. Sie einigen sich auf einen dunklen Kupferton und machen sich ans Werk. Nach fast einer Stunde wird die Farbe von verschiedenen Friseurinnen geprüft und immer noch im Haar belassen. In der Zwischenzeit sind Tady und Martin zurückgekommen, haben Martins repariertes Handy mit, worüber er entzückt ist. Tady hat allerdings ein Trauma durch das verlorene Handy erlitten und fragt ständig nach, ob eh alle alles haben. Martin beäugt den Haaransatz, den Kerstin ohne Brille nicht sehen kann. Er ist entsetzt, denn der Ansatz ist jetzt nicht mehr grau, sondern blond bis hell-orange. So wird die Farbe nach fast zwei Stunden ausgewaschen und ein zweiter Versuch gestartet. Es hat sich herausgestellt, dass die vereinbarte Farbe nicht vorrätig ist, sodass man einfach eine andere, hellere genommen hat. So inspiziert Martin die vorhandenen Farben und sucht ein vermutliches mittelbraun aus. Die Farbkarten stimmen nämlich nicht mit den vorhandenen Produkten überein. Mit Argusaugen verfolgt Martin die Mischung mit dem Fixiermittel. In der Zwischenzeit erhalten wir Gebäck mit einer Mischung aus Käse und Schokolade, was gar nicht so schlecht schmeckt wie es sich anhört. Getränke werden gebracht und nach kurzer Zeit können die Haare gewaschen werden. Endlich die gewünschte Farbe. Es werden noch Fotos mit Chefin und allen Friseurinnen gemacht. Internationale Kundschaft gibt es hier wohl selten. Martins Frisur muss leider warten, da hier Frauen nur Frauen behandeln. Bei Männern sit es ebenso. Geschafft setzt uns Tady am Steg ab.

Beim Bummeln in der Stadt sehen wir einen geöffneten Barbershop. Der Friseur liegt gemütlich auf einer Couch und wartet auf Kundschaft. Nichts wie rein. Genauso wie es Männer gerne haben: Tatsächlich ist der Haarschnitt für Martin innerhalb von 10 Minuten fertig inklusive dazugehöriger Kopfmassage. Das macht dann umgerechnet sagenhafte 1,20 Euro. Das unterbietet sogar noch den bisherigen Spitzenreiter bei Friseurpreisen Kuba. Dafür gibt es fürstliches Trinkgeld, das mit großer Freude aufgenommen wird. Und die Frisur ist gar nicht mal so schlecht geworden, gemessen an den Haarschnitten der letzten dreieinhalb Jahre mit all den Sprachverwirrungen zwischen Friseuren und Kunden. Zufrieden schlagen wir uns die Bäuche in einer Straßenküche voll und fallen wieder total erschöpft ins Bett. Die letzte Nachtfahrt steckt uns nämlich auch noch in den Knochen. In der Früh am nächsten Tag wartet Tady schon wieder auf uns, überpünktlich wie alle, die wir in Indonesien bisher getroffen haben. Ungewöhnlich nach der langen Zeit im Pazifik. Der lokale Gemüsemarkt hat gewaltige Dimensionen, die Auswahl auch, dafür sind die Preise erstaunlich hoch. Vermutlich ist das der Aufschlag für uns Hellhäutige. Das nehmen wir in Kauf um die lokalen Bauern zu unterstützen. Hier gibt es keine Agrarförderung und auch keine Bettler. Auf dem zweiten Markt für Importgemüse und Obst decken wir uns auch noch mit Äpfeln und Birnen ein. Komisch, zuhause ist dieses Obst nichts Besonderes. Hier ist es für uns eine willkommene Abwechslung zu den herrlichen tropischen Früchten. Auf dem Hügel liegt ein Fort aus dem späten 16. Jahrhundert mit einem schönen Ausblick aufs Meer. Darin liegt ein Dorf und eine alte Moschee. Das Fort hat riesige Ausmaße und so sind wir froh, dass wir bei mehr als 30 Grad Lufttemperatur mit dem Auto von einem Ende ans andere gefahren werden. Jetzt geht es zum Auffüllen unserer Dieselkanister. Tankstelle mit Steg gibt es nicht. Man hat uns mehrfach angeboten, den Diesel mit einem kleinen Aufschlag zum Dinghi bringen zu lassen. Allerdings ist allgemein bekannt, dass von den „Helfern“ der billige und verschmutzte Diesel zum Preis des besseren Diesels gefüllt wird. Daher steht Martin beim Tanken gleich neben der Zapfsäule. Statt den gefüllten 157 Litern wollen 160 verrechnet werden. Die Rechnerei hier ist keine genaue Wissenschaft.

Ein letzter leichter Wind sagt sich an, sodass wir direkt die 250 Seemeilen nach Labuan Bajo auf der Insel Flores in Angriff nehmen. Unerwarteter Weise brauchen wir trotzdem nur für 35 Seemeilen den Motor, den Rest segeln wir sehr langsam und teilweise in Schrittgeschwindigkeit vor uns hin. Das Positive am hiesigen Revier ist, dass es keine hohen Wellen gibt, sodass die Segel auch bei wenig Wind selten in den Wellen hin und her schlagen. 

Von den beschaulichen Inseln ohne nennenswerten Tourismus stürzen wir uns jetzt mitten hinein. Labuan Bajo ist die Eintrittspforte für den Komodo-Nationalpark und daher gibt es hier nicht nur unzählige Touren- und Tauchanbieter, sondern auch Cafés, Restaurants, Supermärkte mit alkoholischen Getränken und Souvenirshops. Nach einigen Monaten finden wir sogar wieder einmal eine Eisdiele. Wir fühlen uns ein bisschen nach San Christobal auf Galapagos zurückversetzt und genießen das geschäftige Treiben. 

Ein Tauchausflug und eine Tour zu den weltberühmten Waranen ist rasch organisiert und so verbringen wir die nächsten Tage ungewohnter Weise mit Massentourismus. Die Tauchplätze sind wieder einmal besser als exzellent mit allem was dazugehört. Auch für massig Strömung ist gesorgt und der Riffhaken kommt wieder fleißig zur Anwendung. Angeblich machen pro Tag 1.000 Touristen die Komodo-Landtour zum Aussichtspunkt, rosa Strand, Manta-Point, zu den Waranen und zum Schnorchelriff. Früh morgens geht es los und zu allererst werden die Nationalparkgebühren eingehoben. Dann geht es mit einem Schnellboot in den Nationalpark. Die Plätze sind wie aus dem Prospekt, nur mit mehr Menschen halt. Es ist ja nicht überall so, dass die versprochene Aussicht und das Schnorchelriff atemberaubend sind, der Strand auch wirklich rosa ist und die Mantas und die Warane voll abliefern. Hier aber schon. Wow. Der Ausflug kulminiert in einem aberwitzigen und etwas traurigen Anblick als sich fünf Touristenboote um einen einzigen Mantarochen scharen und dutzende Touris gegen die unheimlich starke Strömung ankämpfen während sich der Manta in einigen Metern Tiefe leicht flatternd entspannt. Wir hoffen, er amüsiert sich über das täglich gleiche Schauspiel über ihm. Wie überall hört auch hier der Naturschutz mit dem Geldverdienen auf. Lange hält das Flosseln keiner aus und so werden die fortgespülten versprengten Mantagäste bald wieder von den Booten aufgesammelt. Durchzählen fertig – wie beim Betriebsausflug. Manche steigen ins falsche Boot weil sie sich nicht erinnern können wie ihres geheißen hat.

Die Waranpopulation auf Komodo ist mit 1.500 Tieren die einzige weltweit. Sie werden bis zu vier Meter lang und 60 Jahre alt. Ihre erdlochartigen Behausungen werden zuerst von Vögeln gebaut, die dann von den neuen Besitzern vertrieben werden. Die riesigen Echsen lauern ihrer Beute bewegungslos auf und können dann mit 20 Kilometern pro Stunde plötzlich losstarten und die auf der Insel endemischen Wildschweine, das Rotwild und die weniger endemischen Touristen erlegen. Der letzte Tourist vor 6 Jahren. Im fehlt jetzt leider ein Bein. Die Guides haben Stöcke, mit denen sie die Touristen meistens beschützen. Gut, dass die Tierchen hauptsächlich erst abends jagen wenn wieder Ruhe einkehrt auf Komodo.


Kurzvideo: Komodo Warane

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