Neukaledonien

Als wir von Fidschi Abschied nehmen, erfahren wir noch, dass im 19. Jahrhundert hier auf Viti Levu der Guinness-Buch-Rekordhalter der Kannibalen gelebt hat. Laut Überlieferung hat er 999 Menschen verspeist. Deren Schädel lagen zusammen in einer Grube und wurden von Wissenschaftlern erforscht. Damit erlangte der Häuptling einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde, der hoffentlich nie mehr „verbessert“ wird. Wir haben Glück und verlassen unversehrt die Gewässer von Fidschi.  Natürlich bleibt die Fahrt nicht ohne Hindernisse. Zunächst funktioniert die Logge nicht, sodass Martin gleich einmal an den Rumpf tauchen geht und die Logge freimacht. Dann macht er einen Kontrollblick in die Segel und stellt fest, dass zwei Nähte am Großsegel ganz oben etwas aufgegangen sind. Nach dem tiefsten Punkt am Rumpf heißt es deshalb für Martin: Ab auf den höchsten Punkt in den Mast. Wir entscheiden uns dafür, das Großsegel erst mal nicht herunterzuholen und mit Segeltape zu kleben um keine Zeit zu verlieren. Nachdem die Wellen am Beginn der Fahrt noch nicht hoch sind, hinterlässt die Aktion nicht viele blaue Flecken. Nach einigen Tagen sollte der Wind nachlassen, sodass  wir das Rollgroß herunterholen und Kerstin die Nähte zusätzlich nachnäht. Nach zirka 30.000 Seemeilen ist so etwas nicht verwunderlich.

Nach fünf Tagen kommen wir in Noumea, der Hauptstadt von Neukaledonien an. Positiv zu vermerken ist, dass jegliche Infrastruktur von Straßen, Geschäften und Seezeichen hervorragend ist. Es gibt ein gutes und günstiges Busnetz, auch medizinische Einrichtungen sind auf hohem Niveau. Die Prozedur zum Einklarieren ist einfach und gratis. Nur ein Beamter kommt an Bord und sucht sich sein Frühstück zusammen. Wir stellen zwei Eier, zwei Limetten, eine Zwiebel und ein Stück Knoblauch zur Entnahme bereit. In der Gefriertruhe gibt es nur Eiswürfel. Der nette Beamte konfisziert alles Frische und verlässt uns wieder. Tags darauf bekommen wir Besuch. Nina, eine Freundin und Verwandte begleitet uns für einige Wochen. Sie hat bereits die Hauptstadt Noumea erkundet und kann uns daher schon eine Stadtführung geben. Wir kaufen noch ein wenig auf dem Markt ein, was sich hier in der Kasse ziemlich bemerkbar macht. Dafür gibt es alles Gute zu kaufen. Schließlich ist man als französisches Überseegebiet seinem Ruf verpflichtet. Endlich wieder hervorragenden Käse, knuspriges Baguette, und alles an Früchten und Gemüse was das Herz begehrt. 

Sobald das Wetter es zulässt, verlassen wir die Marina Port Moselle und segeln zur ersten Attraktion, der Insel Amedee mit dem großen gleichnamigen Leuchtturm. Kaum unterwegs entdeckt Nina schon eine große Schildkröte im Wasser und einen Buckelwal, der bläst und mit seiner Schwanzflosse winkt. Der Leuchtturm Amedee wurde im 19. Jahrhundert in Paris aus Eisen gefertigt, auseinandergenommen und nach Neukaledonien verschifft und zusammengebaut. Damit ist er nach wie vor einer der größten Leuchttürme auf der Südhalbkugel, welcher noch dazu noch immer in Betrieb ist. In der Nacht liegen wir praktisch alleine in der Bucht und genießen die Atmosphäre im kreisenden Lichtschein des Turmes.  Uns zieht es weiter zu einer einsamen Insel, die sich bei Näherkommen als mittlerer Sandhaufen erweist. In der Früh beschließen wir, das Stück Land in Besitz zu nehmen und auf der „Insel“ eine österreichische Flagge zu hissen. Getauft wird das Eiland auf „Winterwonderland“. Hier ist tatsächlich Winter. Ohne lange Hose und Jacke wird es am Abend ziemlich frisch. Zeitweise überlegen wir sogar, die Heizung einzuschalten. Der Wind legt langsam zu, sodass wir zur nächsten Insel „Laregnere“ segeln, die einige Bäume als Windschutz aufzubieten hat und auf dem Weg zur schützenden Marina in Noumea liegt. Hier liegt ein paradiesisches Schnorchelgebiet, wo nur wenige Tagesgäste herkommen. Unser Boot liegt an einer Boje, worunter sich ein Schwarm großer Fische versteckt. Nina erlebt gleich einmal einen der schönsten Schnorchelplätze, die wir im Pazifik gesehen haben. Zum krönenden Abschluss schwimmt Nina noch mit zwei riesigen Schildkröten. So soll es sein. Leider ist das Wasser mit 24 Grad Celsius für unsere Verhältnisse ein wenig kühl, da wir derzeit doch recht weit südlich sind. Ein Taxiboot mit Touristen reißt eine Schneise in die Korallen und bleibt stecken. Jetzt muss der unvorsichtige Fahrer auf die Flut warten. Mit seiner Aktion hat er bedauerlicherweise viele Korallen „radiert“ und somit unwiederbringlich zerstört. 


Kurzvideo: Tauchen in Neukaledonien

Stürmischer Wind kommt auf uns zu. Den möchten wir lieber in der Marina abwettern. Zunächst besuchen wir die beiden „schönsten“ Strände Noumeas, Baie des Citrons und Anse Vata. Dort spielt sich ein Großteil des touristischen Lebens ab mit entsprechenden Bars und Restaurants. Hier gibt es auch eine Filiale der Brauerei „3 Brasseurs“, die wir schon in Papeete liebgewonnen haben. Ansonsten ist das Strandleben massiv eingeschränkt. In den letzten Monaten sind an diesen Stränden drei Menschen von Bullenhaien gebissen worden, wobei ein Mensch verstarb. Bullenhaie jagen auch im flachen Gewässer und verwechseln hin und wieder Menschen mit Futter. Aus diesem Grund wurde im Umkreis von Noumea und den vorgelagerten Inseln ein Badeverbot verhängt. Es wird gemutmaßt, dass eine Fischfabrik nun weniger Abfälle in das Meer leitet und die zuvor angefütterten Haie nun ihre Beute woanders suchen müssen.  Noumea wird als Paris des Pazifiks bezeichnet. Wer auch immer den Vergleich bemüht hat, kann noch nie in Paris gewesen sein. Nichtsdestotrotz ist Noumea für eine größere Stadt auf einer Pazfikinsel ganz nett.

Neukaledonien ist nach Neuseeland die zweitgrößte Insel im Pazifik. Um wenigstens einen Teil der Hauptinsel erkunden zu können, planen wir, sternförmig von der Marina mit dem Leihauto auszurücken. Der erste Weg führt uns Richtung Nordwest nach Bourail. Der Ort selber ist unspektakulär aber die Wanderung, die entlang der Strände Roche Percée und de Poé läuft ist wunderbar. Dabei kommt man wegen den dazwischenliegenden Hügeln durchaus ins Schwitzen. Die Aussicht und die frische Luft entschädigen auf jeden Fall für die Strapazen. Wir sind rechtschaffen müde und fallen früh ins Bett. Am nächsten Tag steht der Blue River Provincial Park auf dem Programm. Um den großen Stausee machen wir einige kurze Wanderungen und eine Fahrradtour, wobei wir gigantische Bäume sehen, die tausend Jahre alt sind. Wirklich beeindruckend. Die Erde ist dunkelrot und erinnert uns an Zentralaustralien. Auch den seltenen scheuen Nationalvogel Kagu entdecken wir in einem Gebüsch. Der Kagu hat am Hinterkopf lange Federn. Wie viele andere Vögel im Pazifik hat sich der Kagu im Laufe der Entwicklung das Fliegen abgewöhnt, da er am Boden keine Feinde hatte.  Um nicht die gleiche Strecke zurück zu müssen, entschließen wir uns an der Küste entlang nach Noumea zu fahren. Bis auf einen kleinen Wasserfall entdecken wir keine eindrücklichen Naturbesonderheiten. Dafür erfahren wir im wahrsten Sinne des Wortes den Unterschied zwischen erstklassigen und zweitklassigen Straßen. Dabei stellen wir auch fest, dass hier Pickups mit Schnorchel sinnvoll sind, denn wir fahren über überschwemmte Brücken, Schlaglöcher und Bodenschwellen, die so hoch sind, dass man selbst im Schritttempo beinahe aufsitzt. Unser Schnauferl schafft diese Hürden einigermaßen gut. Am Weg nach Noumea treffen wir auf ein riesiges Industriegebiet. Mittlerweile ist es finster und um uns herum leuchten die Lichter einer gigantischen Nickelfabrik.  Neukaledonien steuert angeblich ein Viertel des gesamten Nickelabbaus der Welt im Tagebau bei. Darüber informieren wir uns nächsten Tag in Thio an der Ostküste. Dort war früher die „Nickelhauptstadt“ und dort ist auch heute noch ein großes Abbaugebiet. Wir nehmen uns Zeit für das Minenmuseum. Wir bekommen sogar eine Privatführung. Sein Nickelvorkommen hat Neukaledonien dem versunkenen Gondwana-Kontinent zu verdanken, zu dem auch ein Teil Australiens gehörte. Auf der Höhe Neukaledoniens trifft die australische auf die pazifische Platte und taucht langsam darunter. Die pazifische Platte schiebt sich mit einer mineralstoffreichen Schicht darüber, sodass in Neukaledonien neben den reichen Nickelvorkommen auch andere wertvolle Rohstoffe zu schürfen sind. Das hochwertige Nickelerz enthält bis zu 3,5 Prozent Nickel. Dieser Rohstoff ist sehr gefragt und wird zum Beispiel für korrosionsbeständige Legierungen und Akkus verwendet. Auch Tesla hat sich hier einen Teil der Förderung gesichert. Das hochwertige Nickelerz wird vor Ort aufbereitet und wird als fertiges Produkt verkauft. Das Minderwertige wird gleich als Erz in alle Welt verschifft. Das Nickelvorkommen mit den einhergehenden tausenden Arbeitsplätzen ist einer der Gründe, warum es den Menschen in Neukaledonien wirtschaftlich besser geht als auf vielen anderen Pazifikinseln. Ein japanischer Friedhof zeugt von den Arbeitern vieler Nationen, die für den Nickelabbau in Wellen hierhergezogen sind. Die in der Nähe vorkommenden Seekühe tauchen leider nicht für uns auf. Da hilft auch Ninas Adlerauge nichts. 

Im Centre Culturel Tjibaou nahe Noumea lernen wir etwas über die Eingeborenen. Bemerkenswert ist die Architektur des Kulturzentrums. Der italienische Architekt Renzo Piano hat ein markantes Gebäude erschaffen, das den Häusern der Ureinwohner nachempfunden sein soll. Er hat im Übrigen auch das Centre Pompidou in Paris entworfen. Die Ureinwohner bezeichnen sich selber als Kanaken, was in deren Ursprache „Menschen“ heißt und nichts mit den negativen Attributen des Wortes in Europa zu tun hat. Wir lernen auf einem Naturpfad etwas über die spirituelle Entstehungsgeschichte, die sich auf Legenden stützen. Allmählich wird es für uns Zeit, sich auf die Überfahrt nach Vanuatu vorzubereiten. Die frischen Lebensmittel der letzten Wochen sind aufgebraucht. Günstige Winde Richtung Vanuatu sind im Anmarsch. Allmählich bekommen wir ohnehin einen Landkollaps. Wenn es nicht ohnehin gleich verboten ist, ist uns beim Schwimmen ziemlich kalt. Es regnet beinahe täglich ein wenig und wir wollen mal wieder Wind und Welle um uns herum spüren. Zum Abschluss gönnen wir uns einen Tag auf der Resort Insel Ilot Maitre und ruhen uns für die zweitägige Überfahrt aus. Unser letztes neukaledonisches Geld investieren wir in Gemüse, Fisch und Obst. Köstlichkeiten wie Passionsfrüchte und Pampelmusen gibt es schließlich nicht überall.

2 Kommentare

  1. Liebe Kerstin, lieber Martin
    Mit Begeisterung lesen wir immer eure Reiseberichte und sind beeindruckt von all euren schönen Erlebnissen und den sehr informativen Hintergründen zu Land, Leuten, Kultur und Sonstigem.
    Eure Abenteuerlust ist grossartig! In Europa, insbesondere Deutschland, habt ihr nichts verpasst.
    Unser Segelboot ist immer noch in Auckland in der Werft und sollte ab August wieder einsatzbereit sein. so machen wir verschiedene kleinere Reisen in Europa, was auch sehr schön ist. Bleib gesund und ganz herzliche Grüsse von Ramona & Jörg aus Zürich

    • Liebe Ramona und lieber Jörg. Danke für eure Nachricht. Wir hoffen, dass eure Vijonara bald wieder fit ist und wir euch bald wieder treffen. Wir würden uns sehr freuen 😀. Bis bald. LG Kerstin und Martin

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