Hier ist es leicht, eine malerische unbewohnte Insel mit Sandstrand für sich alleine zu finden. Die Szenerie ist zauberhaft. Mit dichtem Grün bewachsene kleine Inseln samt malerischen Stränden in kurzen Abständen fügen sich zur perfekten Postkartenlandschaft zusammen. Es erinnert uns ein wenig an Kroatien – nur halt mit Palmen und vorgelagerten Sandstränden. Die Besiedelung ist spärlich. Man kann das Auge schweifen lassen ohne ein einziges Haus zu erspähen. In der Dämmerung wechseln riesige Flughunde flatternd die Inseln. Natur pur. Wandert man durch ein Dorf, hat man Mühe, sein Staunen vor den Bewohnern zu verbergen. Die Behausungen sind gelinde gesagt sehr bescheiden. Um jedes Haus streunt eine Schar Tiere – meistens Schweine samt Ferkel sowie Hühner und eine Schar Kinder. Einige Häuser sind schön hergerichtet mit Blumengarten. Überall gibt es ein gepflegtes Gemeindehaus für Zusammenkünfte. Leider findet man da und dort Müll verteilt. Eine Straße findet man auf den Inseln kaum. Hier geht man zu Fuß oder fährt mit seinem Oldtimer-Landwirtschaftsgerät auf das Feld. Alle haben ein breites offenes und häufig zahnloses Lächeln und scheinen glücklich und zufrieden. Die Kinder nehmen dankend kleine Geschenke wie Sonnenbrillen oder Haarreifen an, die Erwachsenen freuen sich über Kava.
Ein Paradies. Wären da nicht die Naturkatastrophen. Zyklone haben den Sandstränden zugesetzt und sie schrumpfen weiter. Auf der Innenseite der Buchten im flachen Wasser sind die Korallen zerstört. Lohnenswertes Schnorcheln ist auf der Außenseite der Riffe möglich. Diese sind allerdings nicht leicht zu erreichen. Außen kann man nicht ankern und mit dem Dinghi ist es weit. Über das Riffdach schwimmen geht nur bei Hochwasser und da muss man den Bauch dann einziehen wenn man durch die brechenden Wellen auf die schöne Seite des Riffs schnorchelt. Aber es lohnt sich. Die gebotene Vielfalt an Korallen, Moosen, Fischen und Getier kann mit den fabelhaften Pässen der Tuamotus mithalten. Großfische sieht man hier allerdings kaum. Nur selten sieht man einen Riffhai patroullieren und die Strömung hält sich in Grenzen.














Dann wäre da als Naturkatastrophe Nummer zwei die vulkanische Aktivität. Ein Bewohner berichtet uns von dem ohrenbetäubenden Knall, der beim letzten Vulkanausbruch 2022 hörbar war. Dieser war sogar im 9.700 Kilometer entfernten Alaska noch zu hören. In der Ferne sah man dann die Rauchsäule des explodierten Hunga. Die Explosion war heftiger als alle registrierten Eruptionen im 20. Jahrhundert inklusive Kernwaffentests weltweit. Es wurden in wenigen Sekunden Millionen Tonnen Meerwasser und Asche in die Atmosphäre befördert. Zentimeterdick lag die Asche auf den südlichen Inseln Tongas und der Tsunami setzte den Hotels in Tongatapu zu. Sogar in Kalifornien kam es noch zu Überschwemmungen. Die Druckwelle reiste um die Welt und beeinträchtigte die Satellitenkommunikation. Ganz nebenbei wurden 120 km Unterseekabel geröstet und damit unbrauchbar. In Tonga waren durch den Vulkanausbruch vier Menschenleben zu beklagen.
Das ist der Preis, den man einkalkulieren muss, wenn man in diesem Paradies leben möchte. Es gibt Menschen aus aller Welt, die sich hier niedergelassen haben. Darunter viele Neuseeländer, Australier und sogar Deutsche und Österreicher. Oft betreiben sie ein Geschäft. Im Bellavista Cafe in Neiafu werden wir von einem pensionierten australischen Airforce-Piloten, der im Golfkrieg geflogen ist, über den Dorftratsch aufgeklärt. Es gibt angeblich einen Österreicher, der ein Ressort betreibt und das beste Essen in ganz Vava’U auf den Tisch bringt. Haben wir leider nicht besucht. Kennengelernt haben wir allerdings die Dame aus Neuseeland, die ebenfalls auf einer einsamen Insel ein Ressort betreibt und mit ihren imaginären Freunden feiert. Tatsächlich hat sie uns erzählt, sie könnte uns kein Bier verkaufen, weil sie gestern eine Gruppenfeier hatte und das Bier aus sei. Auf der überschaubaren wunderschönen Insel, die wir in 15 Minuten umwandern, ist aber weit und breit niemand außer sie und ihre Katze zu erblicken. Die schwarze Katze ist eine Berühmtheit, die sich vermutlich zur Kühlung ihres dunklen Fells gerne im weißen Sand vergraben lässt. Damit schafft sie es angeblich auf 33 Millionen Instagram-Aufrufe. Dann gibt es noch die deutsche Familie, die gerne unter sich bleibt. Auch die sehen wir von der Weite in der Blue Lagoon als sie uns zuruft, dass die Boje zu klein dimensioniert sei und der Ankergrund schlecht sei. Ein Körnchen Wahrheit scheint im Dorftratsch doch zu stecken.
Beim Geldwechseln in der winzigen Bankfiliale braucht es zwar sensationelle 30 Minuten um zu rechnen, zu kontrollieren und noch fünfmal zu kontrollieren und ein paar läppische Scheine zu tauschen, dafür bekommt man aber ganz nebenbei ein Duett von feinster Volksmusik des Sicherheitspersonals und der Sachbearbeiterin präsentiert, dass es einem vor Entzückung die Schuhe auszieht. Man kann sich dem breiten Lächeln der Einheimischen nicht entziehen und ertappt sich dabei, dass man inzwischen ebenfalls zu den Dauergrinsern Tongas gehört. Wenn das kein Service ist.
























Hier gibt es noch einen richtigen Markt mit richtigen Bauern und ungewaschenen Kartoffeln und sonstigem Allerlei. Supermarkt gibt es keinen, dafür jede Menge chinesische Shops und einige urige Lokale. Nur ein Restaurant sollte man meiden, hier würde sogar den Einheimischen schlecht vom Essen. Ansonsten ist alles wunderbar. Eine kleine Wanderung bei 80 Prozent Luftfeuchtigkeit zum Mount Talau raubt uns gleich doppelt den Atem. Einmal aufgrund unseres Trainingszustands und einmal aufgrund des Ausblicks. Von hier oben sieht man über einen guten Teil von Vava’U und seine verwinkelten Buchten und Inselchen. Duschen ist hier aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit an manchen Tagen sinnlos. Das ist übrigens auch der Grund, den der Bäcker angibt, dass seine Baguettes nie knusprig werden wollen.
Einzigartig sind die Buckelwale, die jedes Jahr zu hunderten nach Vava’U kommen um zu kalben. Hier ist weltweit der einzige Platz, an dem man mit Walen schnorcheln darf. Sie kommen jedes Jahr von Juli bis September. Genau wie die Touristen. Letztes Jahr waren zum Beispiel hundert Wale in der Bucht direkt vor der Hauptstadt Neiafu. Hoffentlich bleibt das so. Touristen waren nämlich mehr. Nachdem das Verhalten der Wale durch die vielen Touristen beeinträchtigt wird, warten wir nicht auf sie und machen uns langsam mit dem Passatwind wieder sanft schaukelnd auf den Weg gen Westen.