Nachdem wir den Franz-Josef- und Fox-Gletscher bereits aus der Luft gesehen haben, möchten wir die weißen Riesen auch aus Bodennähe betrachten. Dies ist allerdings nicht ganz so einfach. Direkt an die Gletscher kommt man nur mit einem Hubschrauber. Dann könnte man eine kurze geführte Gletscherwanderung beziehungsweise Klettertour machen. Nachdem wir Gletscher aus Österreich kennen, sparen wir uns die kalten Füße. Der Aussichtspunkt, der am nächsten am Franz-Josef-Gletscher liegt, zeigt nur einen kleinen Rest des Gletschers oben am Berg, den man vor hundert Jahren noch direkt im Tal bestaunen konnte. Der Gletscher ist noch 10 Kilometer lang und schrumpft pro Jahr um 400 Meter! Leider wird er damit in 25 Jahren Geschichte sein, wie der österreichische Kaiser, nach dem er von einem deutschen Wissenschafter benannt wurde.
Trotzdem ist der Anblick bemerkenswert, die bläulich schimmernden Gletscherspalten schauen aus, als würden sie jederzeit abbrechen. Der Aussichtspunkt befindet sich mitten im Regenwald, wobei neben den Moosen und dicht gewachsenen Laubbäumen vor allem die Baumfarne ins Auge stechen. Sie werden bis zu 20 Meter hoch und wurden von den Maori als Heilpflanze verwendet. Mittlerweile sind große Teile von Neuseelands Natur unter Naturschutz, wodurch viele Pflanzen ungestört wachsen und gedeihen. Natürlich gibt es auch hier eingeschleppte Pflanzen. Eine Pinienart wächst so schnell und breitet sich weitflächig aus, sodass zum Schutz der endemischen Pflanzen eine Mannschaft ins Leben gerufen wurde, die diese Bäume fällt und frische Triebe ausreißt.
In Waiau beim Franz-Josef-Gletscher checken wir wegen der tiefen Temperaturen in der Glow Worm Accomodation ein, einer kleinen Unterkunft für Rucksacktouristen. Nach den Regentagen möchten wir uns gerne wieder einmal aufwärmen und dort gibt es neben beheizten Zimmern mit Kaffee- und Teeversorgung auch einen kostenlosen Whirlpool. Dazu gibt es Frühstück sowie am Abend eine warme Suppe. Beim Einchecken fragt uns der Inhaber, ob wir Mitterkirchen kennen, wo er Freunde hat und schon oft zu Gast war. Mitterkirchen liegt nur wenige Kilometer von unserem ehemaligen Heimatort. Was für ein Zufall! Wir nutzen den Pool ausgiebig und lernen dabei auch noch belgische und irische Touristen kennen. Natürlich sind die meisten Rucksacktouristen jünger als wir. Martin setzt sich mit seiner Suppe an einen Tisch mit jungen Mädels, die deutsch sprechen und nicht vermuten, dass Martin sie versteht. Sie unterhalten sich darüber, dass es schon komisch ist, in diesen Quartieren auch alte Leute zu treffen. Martin prustet lachend die Suppe vom Löffel. Nun ja, gestern noch mit Interrail durch Europa, heute schon alt durch Neuseeland. Uns stören die jungen Leute ganz und gar nicht. Wir wundern uns darüber, dass so viele junge Europäer hier in Jobs arbeiten, die auch in Europa dringend besetzt werden müssten: Supermarkt, Gastronomie, Hotellerie, Physiotherapie. Und in der EU könnte ja jeder Bürger ohne bürokratische Hürden in jedem Land arbeiten. Die Iren klären uns darüber auf, dass der Vorteil in Neuseeland an der englischen Sprache liegt, die auch jeder nicht englisch sprachige Europäer lernt. In der EU gibt es mittlerweile außer Irland kein Land mehr, in dem die Muttersprache englisch ist. Angeblich ist der Verdienst in Neuseeland ähnlich wie in Europa. Die Iren schätzen außerdem, das warme Wetter im Sommer und das Schifahren im Winter, das sie genau wie die whirlpoolenden Belgier in Österreich gelernt haben. Das Einjahres-Visum für junge Leute, die arbeiten wollen ist zudem einfach zu bekommen. Und schließlich möchte man das Land am anderen Ende der Welt auch einmal kennenlernen. Das verstehen wir nur zu gut.











Aufgewärmt und trocken machen wir uns auf den Weg zum Fox-Gletscher. Der ist mit 13 Kilometer sogar etwas länger als der Franz-Josef, schmilzt aber auch dahin. Einst reichte er bis in den Regenwald hinunter. Bei einer Wanderung treffen wir auf ein Schild, das das Ende des Gletschers im 18. Jahrhundert markiert. Zwischen damals und heute liegen viele Kilometer. Eigentlich gehören die beiden Gletscher zu den wenigen, die relativ rasch wachsen könnten. Vom tasmanischen Meer kommen die kalten und niederschlagsreichen Wetterfronten auf die Küste zu. Aber sie reichen mittlerweile nicht mehr aus, um die Gletscher zu regenerieren. Das einzig beständige ist der Regen, der auf 3,4 Meter pro Jahr kommt.
Nachdem Free-Camping auch am Fox-Gletscher verboten ist, quartieren wir uns auf einem kleinen Campingplatz ein. Damit haben wir Strom für unseren Heizlüfter und eine Waschmaschine. In der Dämmerung schließen wir uns einer Glühwürmchen-Wanderung auf an. In Neuseeland gibt es fünf verschiedene endemische Arten. Unsere Glühwürmen leuchten im Dunkel der Nacht durchgehend in einem blau-türkis. Der Guide erklärt uns, dass sie mit dem Leuchten andere Insekten als Nahrung anlocken. Einige locken auch zur Paarung, die häufig damit endet, dass das Männchen anschließend auf den Speiseplan kommt. Mahlzeit.
Mit den Gletschern haben wir unser nördlichstes Reiseziel auf der Westküste erreicht und machen uns daher auf den Rückweg nach Wanaka. Schönes Wetter ist angesagt und wir möchten gerne wandern. Bei der Fahrt wird es sogar warm, sodass wir unsere Seitenfenster etwas hinunterlassen. Auf der Beifahrerseite lässt sich das elektrische Fenster leider nicht mehr hochfahren. Wie gut, dass kein Regen angesagt ist.
Wir beschließen, den Van vorzeitig zurückzugeben, was bei dieser Mängelliste kein Problem darstellen sollte. Trotzdem würden wir gerne das Fenster schließen und so empfiehlt man uns die Pannenhilfe nachdem wir aus Haftungsgründen nicht selbst Hand anlegen möchten. Die erklärt uns, dass sie vor Weihnachten keine Termine mehr haben. Der Sinn dieser Pannenhilfe erschließt sich uns nicht ganz. Also verschließen wir das Fenster mit Handtüchern in Müllsäcken um Wind und Regen abzuhalten. In Wanaka fahren wir wieder zu unserem letzten Campingplatz wo uns wieder die Entenfamilie freudig in Empfang nimmt. Wir können uns bei diesem Wetter draußen hinsetzen, das versöhnt ein wenig nach der nasskalten Zeit.
Bei strahlendem Sonnenschein machen wir eine Wanderung in das Diamond Lake Conservation Area. Hier zeigt sich wieder der Topzustand der neuseeländischen Wanderwege. Gut gesicherte Steigungen werden von Treppenstufen ergänzt, die uns zwar zum Schnaufen bringen, aber dafür auch ganz nah an die steilen Felsen. Der Blick über den Lake Diamond, der tiefschwarz glänzt ist schon spektakulär. Als dann noch der Lake Wanaka in seinem türkis-blau dahinter auftaucht, wird es kitschig.










Wir machen uns wieder auf den Weg und beschließen, nicht mehr zurück nach Wanaka zu fahren, sondern auf dem Weg nach Queenstown den einzigen gratis Campingplatz zu nehmen. Der liegt an der Panoramastraße auf 1.000 Meter Seehöhe. Im Windschatten und Sonnenschein setzen wir uns draußen mit einem Glas Cabernet Sauvignon hin (danke John!), um die Aussicht auf Queenstown zu genießen. Im Vordergrund liegt der Flughafen zwischen zwei Bergen und im Hintergrund ist der Lake Wakatipu mit Queenstown zu sehen. Durch die Dämmerung verändert sich das Licht, sodass wir inflationär viele Fotos machen, die danach den digitalen Papierkorb füllen.
Unsere letzte Etappe führt uns nach Arrowtown, einer kleinen Goldgräberstadt, hergerichtet für Touristen mit Restaurants und jeder Menge Souvenirläden. Eigentlich sieht es hier genauso aus wie in den Goldgräberstädten der USA. Hier haben sich vor allem Chinesen als Goldgräber angesiedelt, die nicht vorhatten, in Neuseeland zu bleiben. Die Hütten in der Siedlung vermitteln einen Eindruck vom damaligen kleinen Chinatown.
Dann geht es zur Jucy-Campervan-Rückgabe-Stelle. Wir sind erleichtert, dass trotz der vielen Geisterfahrer die 3.500 Auto-Kilometer ohne Kratzer bewältigt wurden und wir jetzt nicht mehr im Auto schlafen müssen. Es ist aber auch ein wehmütiger Abschluss der Eindrücke, die man in so hoher Dichte wohl nur mit Camper erleben kann. Bei der Rückgabe konfrontieren wir das Personal mit der langen Mängelliste von der leckenden Decke bis Unbenutzbarkeit der Dusche und WC-Spülung etc. Wir werden an die Beschwerdestelle verwiesen und sind auf die Antwort gespannt.
Vom Fahren selbst sind die bleibenden Eindrücke außer den gut beschilderten staufreien Straßen mit disziplinierten FahrerInnen die „Baustelle mit Familienanschluss“. Hier stehen statt Ampeln vor Baustellen häufig Personen, die bei der Freigabe der einspurigen Straße derartig frenetisch und begeistert freundlich winken, als würde man als erster ins Ziel beim Grand Prix von Monaco fahren.
Ein weiteres eindrückliches Erlebnis: Am Gratis-Campingplatz kommt ein Klein-LKW vorbei zum Einsammeln des Mülls der Camper. Die Fahrerin bedankt sich dreimal für unseren Müllsack und obendrein bekommt man Bonbons für den übergebenen Müll. Dabei sieht es hier bei Weitem nicht so aus, als würden alle die Müllsäcke irgendwo in der Natur entsorgen. Alles ist penibel frei von Kaugummi, Zigarettenstummeln und Müll. Kompliment.
Jetzt freuen wir uns in Queenstown schon sehr auf Familie und Freunde in Österreich. Bis bald.