Vor dem östlichen Pass zum Atoll Makemo stehen vier Segelboote und warten darauf, dass die Strömung so weit nachlässt, dass der Pass befahrbar wird. Nach unseren Informationsquellen fährt man 2 Stunden nach Niedrig- oder Hochwasser rein, denn dann sollte die Strömung nahezu null sein. Eine Stunde früher fährt das erste Boot rein und meldet uns über Funk 1,5 Knoten Strömung nach draußen. Also folgen wir und alle anderen Boote nacheinander auch in den Pass und es geht weit weniger ruppig zu als beim ersten Pass in Raroia. Der Ankerplatz ist direkt nach dem Pass vor der hiesigen „Bezirkshauptstadt“.
Der Ankerplatz ist wie sehr viele in den Tuamotus mit 14 Metern relativ tief und wir bringen 60 Meter Kette aus. Wieder bringen wir in 10 Metern Abstand Fender an der Kette an, um diese über den Korallen schweben zu lassen. Es funktioniert noch nicht perfekt, aber wir verbessern uns. Wir überzeugen uns beim Schnorcheln von unseren Künsten. Der Anker ist gut eingegraben und die Kette schwebt weitgehend, auch wenn leider ein Schäkel gebrochen ist und ein Fender schwimmend wieder an Bord geholt wird. Den gut eingegrabenen Anker werden wir in den nächsten Tagen brauchen, denn es gibt Wind bis zu 30 Knoten. Auch wenn wir hinter einem Riff liegen, baut sich bei diesem Wind über die kurze Distanz im Verlauf der Tage eine Welle auf, die Infinity ganz schön stampfen lässt. Die Schaukelei sind wir von den Marquesas schon gewohnt und wir wollen trotzdem in der Nähe des Ortes bleiben und fahren nicht an die Ostseite der Insel wo der Wind weniger Anlauf hat, um Wellen aufzubauen.
Makemo
Mit uns liegen einige Schiffe vor Anker und man trifft sich an Land in den wenigen Lokalen, die ab 17.00 Uhr öffnen. Seit Monaten ist das Versorgungsschiff nicht hier gewesen, so erwarten sowohl die Einheimischen als auch die Segler sehnsüchtig frische Ware. Es gibt 4G-Netz (!), drei kleine Supermärkte, die kurz vor Eintreffen des Versorgungsschiffes sogar noch Käse und etwas Gemüse haben. Leider ist das Obst komplett aus, die Kühlschränke sind verdächtig leer. Benzin und Baguette kann man gegen Vorauszahlung am nächsten Tag abholen. Das Baguette schaffen wir leider nicht, da der Bäcker nur zwischen 5.00 und 7.00 Uhr morgens offen hat. Im Geschäft gibt es sogar Sonnenbrillen und Flip-Flops zu kaufen. Ein Luxus, von dem die Bewohner unseres letzten Atolls – Raroia – nur träumen können. Mit der Crew der Swiss Lady haben wir vormittags auf unserem Boot ein tägliches Kaffee-Date eingerichtet. Es ist immer außerordentlich interessant, die Lebensgeschichten und Erfahrungen anderer Segler kennenzulernen.
Auf dem Teil des Atolls gibt es sogar eine Straße, die länger ist als nur wenige hundert Meter. Für die paar Autos wurden auch gleich Bodenwellen als Geschwindigkeitshürden im Ortsgebiet eingebaut.
Wir verproviantieren uns so weit wie möglich und möchten endlich an einen unbewohnten Ankerplatz in den Tuamotus mit kitschigem Sandstrand und Palmen. Dazu wollen wir im Atoll nach Nordosten segeln. Man benötigt dafür etwas Wind und gutes Licht von hinten, um den Korallen ausweichen zu können. Nachdem für die nächsten Tage geschlossene Wolkendecke und wenig Wind vorhergesagt ist, beschließen wir, nicht auf das Versorgungsschiff zu warten, sondern gleich loszufahren um bessere Bedingungen für die Fahrt zu haben.





Kerstin postiert sich dazu am Vorschiff und wir navigieren mit drei Bildschirmen die 16 Seemeilen zum nächsten Ankerplatz. Dabei dient uns der Kartenplotter mit Seekarte, das Satellitenbild mit GPS Position am Notebook und Navionics mit redundanter zweiter Seekarte am Tablet als Informationsquelle. Das letzte Wort hat natürlich die Person am Vorschiff, denn die Sicht ist trotz allgegenwärtiger Technologie immer noch das ultimativ Bestimmende beim Segeln – genau wie vor hunderten von Jahren. Die Sonne leuchtet uns am Vormittag von hinten den Weg durch das Wasser. Die Untiefen von Korallen und Sandbänken erscheinen in diesem Licht hellbraun, dunkelbraun oder hellgelb und sind auf ungefähr hundert Meter gut sichtbar. Mit gesetztem Vorsegel fahren wir einmal mehr und einmal weniger zickzack durch das Atoll. Schließlich kommen wir am Ankerplatz an und wir sind die einzigen hier. Es ist so kitschig wie erhofft. Ein traumhaftes Farbenspiel der Natur mit gelbem Sand, grünen Palmen und türkis- bis azurblauem klarem Wasser.
Beim Landgang entdecken wir eine verlassene Hütte mit Müll rundherum. Trotzdem ist es wunderschön hier. Leider sind die Korallen zu einem großen Teil nicht mehr intakt und eine große Fischvielfalt ist dementsprechend nicht zu entdecken. Um unser Schiff patroullieren aber Tag und Nacht einige Riffhaie, die mit einigen anderen Fischen offenbar darauf trainiert sind, auf Essensabfälle der Segelschiffe zu warten. Das macht das Beobachten der Wasseroberfläche und das Schnorcheln rund um das Schiff recht kurzweilig. Manchmal hört man in der Nacht einen Riesenplatscher, der wohl davon zeugt, dass es zu dieser Zeit für viele Unterwassertiere im Atoll ums Jagen und Überleben geht.






Einen Regentag nutzen wir für kleinere Verbesserungen und Wartungen am Schiff sowie zum Putzen. Ansonsten sind wir seit längerer Zeit wieder einmal im Urlaubsmodus mit einiger Freizeit und Spaß am Kochen. Jetzt werden manche meinen, wir wären ja ohnehin immer auf Urlaub. Wir sind froh und dankbar, für lange Zeit segeln zu dürfen und genießen das, aber es ist kein klassischer Urlaub. Bei den meisten Langfahrtseglern ist das ähnlich. Hausarbeit und Wartungsarbeiten, Reparaturen und Logistik, was unvergleichbar zeitaufwändiger ist als am Land, sowie Formalitäten und Routenplanung samt Wetterrouting machen je nachdem die Hälfte bis zwei Drittel unserer Zeit aus. Der Overkill von Covid-Formalitäten hat sich mittlerweile schon reduziert. 21 Prozent unserer Zeit waren wir bis jetzt segelnd unterwegs. Das überdeckt sich natürlich mit anderen Aktivitäten. Insgesamt bleiben also für touristische Unternehmungen 1 bis 2 Tage Freizeit pro Woche. Das ist gut so, denn wir sind an den schönsten Plätzen der Welt und haben meist freie Zeiteinteilung. Ein unschätzbarer Luxus, auch wenn man sich manchmal fragt, warum man einige ungeahnte Schwierigkeiten auf sich nimmt. In den nächsten Monaten haben wir keine großen Strecken vor uns und unser Schiff lässt derzeit keine größeren anstehenden Reparaturen erkennen. Wir hoffen also, in nächster Zeit das Verhältnis etwas mehr in Richtung Freizeit verschieben zu können. Darauf freuen wir uns schon.
Ein wunderschöner Grillabend am Strand rundet unseren Aufenthalt an diesem Ankerplatz ab. Immer mehr Hühner scharen sich während des Abends um uns und nehmen die Essensreste dankbar in Empfang. Die Farben des Sonnenuntergangs sind spektakulär und aufgrund der unterschiedlichen Bewölkung jeden Tag etwas anders. Wir verlassen den Ankerplatz in Richtung Nordwestpass des Makemo-Atolls und ankern neben dem Pass um das Tauchen im Pass ausprobieren zu können. Leider ist der Ankergrund schlecht und die Kette verheddert sich zwischen den Steinen. Nachdem kein nennenswerter Wind zu erwarten ist belassen wir es einmal dabei. Wir tauchen rund um unser Schiff und klarieren die Ankerkette in zehn Meter Tiefe. Dabei fällt uns auf, dass die in den Tuamotus allgegenwärtigen Haie rund um uns immer mehr werden. Schließlich müssen es um die zwanzig sein und es sieht aus wie eine Haiprozession. Ungewöhnlich. Sie bleiben auch auf gleicher Höhe mit uns während wir langsam auftauchen. Manch einer nähert sich auf 2 Meter und dreht dann ab. Nach dem Auftauchen lüftet sich das Rätsel. Martin hat sich beim Klarieren der Ankerkette an der Hand verletzt und blutet etwas. Da wittern die Tierchen natürlich eine billige Mahlzeit. Als wir am nächsten Tag tauchen, sind wir nur wenigen neugierigen Exemplaren umgeben, die nicht an uns interessiert sind.








Schließlich gehen wir am späteren Nachmittag mit dem Beiboot kurz vor einlaufendem Wasser in den Pass und tauchen den Pass von außen nach innen. Eine zirka 30 m hohe schöne Korallenwand mit vielen Fischen und riesengroßen Barschen sowie ausgezeichneter Sicht. Leider ist das Licht am Ende in der Dämmerung schon etwas schlecht und es wird einigermaßen dunkel. Gegen Ende beschert uns die Strömung noch einen rasanten Rutsch hinein Richtung Ankerplatz. Bremsen oder Richtungsänderungsversuche sind zwecklos. Da wird man einfach mitgespült. Wir sausen an den Fischen und Korallen nur so vorbei. Mehrere Dutzend Haie stehen in mehreren Reihen nebeneinander elegant und fast bewegungslos an einer Stelle in der Strömung des Passes und warten auf ihr Abendessen. Wir flitzen vorüber. Interessant, wie wenig sich die stromlinienförmigen Tiere bewegen müssen, um in dieser Strömung an der Stelle zu bleiben und gut, dass wir nicht ihrem Beuteschema entsprechen.
Nach diesem tollen Erlebnis nehmen wir Abschied von Makemo und lichten am Abend den Anker, um den Pass bei wenig Strömung nach außen zu passieren und über Nacht Richtung Tahanea zu verlassen. Wieder ist bremsen angesagt, um zur besten Zeit den nächsten Pass passieren zu können und bei Tageslicht im Atoll den nächsten Ankerplatz zu finden. Tahanea ist ein Naturschutzgebiet und soll einige der schönsten Anker- und Tauchplätze der Tuamotus beherbergen. Wir sind gespannt.