Wir verlassen Papua Neuguinea Richtung Indonesien. Zwischen Nordaustralien und Südpapua gibt es für 120 Seemeilen sehr flaches Wasser, das man im wesentlichen über drei Routen passieren kann. Da wäre die Inshore Route entlang Australiens Küste, die Offshore Seestraße, über die die Frachter fahren und die Raine-Route. Letztere wurde schon im letzten Jahrhundert von den Segelschiffen befahren und sie ist vom Windwinkel her nach wie vor für Segler die beste Route. Obendrein gibt es Ankerplätze am Weg. So füttern wir unser Navigationssystem mit den Wegpunkten dieser Route. Diese werden wir streng absegeln, da das Great Barrier Riff mit Untiefen gespickt ist und deshalb auch ein wohlbekannter Schiffsfriedhof ist.
Bei der Ausfahrt aus dem Calvados Atoll müssen wir doch tatsächlich einmal einem Frachter ausweichen, der uns über Funk freundlich darum ersucht weil wir unter Segeln eigentlich Vorrang hätten. Drei Tage lang segeln wir bis Raine Island, unserem Eingang in die Torres Straße. Wir kommen in der Nacht am Riff an und vertrauen den Wegpunkten. Bis Thursday Island haben wir immer zirka 30 Meter Wasser unter dem Kiel, was sehr beruhigend ist. Vor Thursday Island ankern wir hinter einem Riff und schlafen eine Nacht durch. Die Weingläser vom Abendessen bleiben unvorsichtiger Weise neben der Spüle stehen. Als der erste große Frachter im Abstand einer Seemeile passiert, zerschellen sie leider durch die verursachten Wellen am Salonboden. Das wären dann unsere letzten Weingläser von zuhause gewesen. Für ein Leben auf einem Schiff haben sie trotzdem lange durchgehalten.
Seit einigen Tagen versucht Martin, über das Satellitentelefon Kontakt mit den australischen Behörden aufzunehmen um auf Thursday Island an Land gehen zu können. Wir laden drei Stunden ein Formular herunter und versuchen erfolglos die Antworten der Border Force auf unsere Fragen am Telefon zu verstehen. Ein Flugzeug weist uns über Funk an, dass wir ohne Erlaubnis nicht an Land gehen dürfen. Man sucht die Umgebung nach Flüchtlingsbooten und nach Drogenschmugglern ab. Schließlich dürfen wir nach strenger Personenüberprüfung, ohne das Schiff einzuklarieren, an Land gehen. Bei der Überprüfung werden wir von vier Beamten gleichzeitig beäugt und befragt. Schließlich erscheinen wir ihnen unverdächtig und wir kaufen ein paar Sachen ein. Da wir keinen australischen Pass haben, bekommen wir hier keine funktionierende SIM Karte. Wifi ist Mangelware. Auf Thursday Island geht es gemütlicher zu als am australischen Festland. Es gibt bewaldete Hügel und Strände. Unser Ankerplatz vor Thursday Island gleicht wegen der Strömung einem großen Fluss. Wenn man hier schwimmen geht, ist man einfach weg. Im Schlaf fühlt sich das am Schiff an, als würde man unterwegs sein. Auf dem verschlafenen Inselchen bleiben wir zwei Nächte bevor wir uns für eine Fünftagesreise auf den Weg nach Tual in Indonesien machen.













Der Wind ist uns wieder wohl gesonnen und wir verlassen Thursday Island bei geplant günstiger Strömung Richtung Westen. Ab jetzt bleibt es für die ganze Strecke ungewöhnlich flach. Erst kurz vor unserem Zielort wird das Wasser wieder mehr als 100 Meter tief. Wir versuchen wegen der Fischerboote lange in australischen Gewässern zu bleiben und fahren deshalb einen Bogen aus. Riesige Fischereiflotten erhellen die Nacht. In dieses „Minenfeld“ aus Netzen und Schiffen möchten wir keinesfalls hinein geraten. Schließlich kommen wir früher als erwartet vor den Kai Islands in Indonesien an und wir riskieren es, in der Nacht zwischen den Inseln hindurch nach Tual zu fahren. Das erweist sich als leichtsinnig und absolut nicht empfehlenswert, denn hier treiben in Landnähe überall Holzflöße mit darauf stehenden Blockhäusern, die unbeleuchtet als Fischereiplattformen dienen. Viele davon werfen auch keinen Radarschatten. Wir verlangsamen die Fahrt und verstärken den Ausguck. Leider erweist sich unser Infrarot Nachtsichtgerät auch hier nicht als gute Investition, da die Reichweite mit einigen hundert Metern zu gering ist. Prompt touchieren wir ein hölzernes UFO – unidentified floating object – gottseidank sind wir so langsam und außer einem kleinen Kratzer am Bug passiert nichts. Als Martin beim nächsten UFO das Ruder im letzten Moment herum reißt und wir um Haaresbreite an einem riesigen Floß vorbei rauschen, reicht es uns und wir fahren ab jetzt mit zittrigen Knien nur mehr Schritttempo. Beide starren wir jetzt in die Nacht hinein. Schließlich laufen wir mit dem ersten Tageslicht in Tual ein und sind heilfroh, als der Anker fällt. Nachtfahrten in Landnähe werden wir in Zukunft in Indonesien absolut vermeiden.
Gemeinsam mit einem Boot aus Neuseeland klarieren wir in Tual mit unserem Agenten Kim ein. Handelt es sich in anderen Ländern um einige Formulare, ist es hier gleich ein ganzes Buch, das mit vier Behörden bearbeitet werden muss. Der Prozess dauert drei Tage. Nach dem Einklarieren kennen wir zwei Dutzend überaus freundliche Beamte in chiquen Uniformen. Am ersten Tag dürfen wir aber bereits an Land zum Einkaufen, Geld abheben und so weiter. Kim hilft uns bei sämtlichen Erledigungen da nicht viele Personen englisch sprechen. Am Bankomaten kommen wir uns vor wie Mafiosi. Ausländische Kreditkarten werden hier nicht akzeptiert und so müssen wir etwas mehr Bargeld abheben. Der Gegenwert von 700 Euro entspricht 12,5 Millionen Rupien, die der Bankomat in 50.000er Stückelung ausspuckt. Wir packen die Scheine in alle Hosentaschen, die dafür nicht ausreichen und müssen zusätzlich ein Plastiksackerl als Tresor heranziehen. Uns schwirrt der Kopf beim Umrechnen vor lauter Nullen.






























Morgens um fünf geht der Tag los. Die zahllosen Muezzine rufen über Lautsprecher eindringlich und lautstark zum Gebet. Das geht dann mehrmals täglich bis nach Sonnenuntergang so dahin. In Indonesien leben Moslems und Christen friedlich miteinander. Angeblich gibt es in letzter Zeit sogar Hochzeiten zwischen Angehörigen verschiedener Religionen. Die Menschen sind sehr freundlich und wir werden wegen Martins weißen Haaren an jeder zweiten Ecke um ein Foto gebeten. Grüßen und anlächeln tut uns beinahe jeder. Die Kinder schreien schon von weitem und grinsen breit.
Bei der Wohnqualität gibt es gelinde gesagt „Luft nach oben“. Die Bausubstanz scheint etwas überholt. Leider findet sich auch einiger Plastikmüll in der Umgebung. Interessant ist auch der Landeplatz für Dinghis. Man macht am Schiff der Küstenwache fest, klettert über eine steile Leiter nach oben, dann springt man auf ein anderes Schiff, quetscht sich außen an der Reling bis zu einem riesigen längsseits im Wasser schwimmenden zylinderförmigen Fender, den man dann balancierend mit Glück oder Können wie auf einem Mausrad zum Betonsteg überquert. Jetzt bei Niedrigwasser nur noch einen Meter raufklettern und auf der anderen Seite nicht gleich ins Wasser fallen. Auf diesem Hindernis-Parcours erleben wir zahlreiche Hände-rudernde Schrecksekunden. Letztlich schaffen wir es ohne Wasserkontakt.
Das Essen ist geschmacklich vorzüglich und sehr preisgünstig. Wir besuchen den tollen Gemüsemarkt und einen Bazar, der in einem nicht enden wollenden Labyrinth von überdachten schmalen Gässchen vollgestopfte kleine Geschäfte mit Kleidung und allerlei anderen Dingen bietet. Zu kaufen gibt es hier sehr viel.
Mit unserem Agenten und seinem Freund besuchen wir die beiden Attraktionen der Insel. Glasklares Wasser findet sich in den toll geformten Hawang-Höhlen, die zum Teil als Trinkwasservorrat genutzt werden. Und ein sagenhafter weißer Puderzuckerstrand namens Ngurbloat Beach mit gemütlichen Strandhütten und Cafés befindet sich auf der anderen Seite der Insel. Er schafft es in die Top-Ten aller unserer jemals besuchten Strände. Ohne Sonnenbrille sollte man hier nicht herkommen, wenn man seine Netzhaut weiterhin benutzen möchte.
Nachdem der Ankerplatz vor der Stadt nicht äußerst charmant ist, machen wir uns nach einigen Tagen auf den Weg nach Banda, das das Highlight der Molukken sein soll.