Nach einem abwechslungsreichen Törn von schaukeligen 66 Stunden kommen wir erschöpft morgens um halb 4 in Mathew Town an. Endlich vor Anker schlafen wir erst einmal eine Runde. Allerdings fühlt es sich so an, als wären wir immer noch unterwegs. Die Wellen sind nämlich gar nicht weniger geworden und schütteln uns durch. Da der Anker bombenfest hält, machen wir uns in der Früh gleich einmal mit dem Beiboot Richtung „Marina“ auf. Dort liegt man auch nicht besser und wir riskieren ab und zu einen Blick auf die Infinity, um zu schauen, ob sie sich nicht alleine auf den Weg Richtung Haiti macht. Auf dem Steg ist nichts zu sehen. Daher gehen wir zur Straße. Ein rosafarbenes Gebäude können wir als Gesundheitsbehörde ausmachen, aber es ist niemand anzutreffen. Ein Auto hält an, der Fahrer fragt, was wir brauchen und nimmt uns den Anruf des Immigration-Officer ab. Wir brauchen nur am Steg zu warten, er schickt den Officer zu uns. Zufällig kommt gerade der Customs-Officer zu einem anderen Boot. Daher kann er gleich auch unsere Unterlagen mitnehmen, welche Martin elektronisch ausgefüllt und ausgedruckt hat. Er erklärt uns, dass es bei der Hafenbehörde freies Internet gibt, was für uns wie gerufen kommt, da unsere SIM-Karte aus Puerto Rico hier nicht funktioniert. Er erklärt auch, dass er die Dame anrufen kann, die SIM-Karten verkauft. Irgendwann kommt der Officer mit seinem Privatauto vorbei, bringt Zettel zum Ausfüllen mit und sagt, dass er gleich wieder kommt. “Gleich” heißt hier erst einmal frühstücken, dann mit den Nachbarn plaudern, ins Büro fahren und dann irgendwann kommen. Zumindest kommt es uns so vor. Es weht ordentlich und es regnet, uns ist kalt, wir brauchen noch einen Bankomaten und die SIM-Karte. Immerhin können wir in der Zwischenzeit das wichtigste online erledigen. Vom Officer kriegen wir die Telefonnummer der Dame vom SIM-Kartenverkauf, die wir aufgrund fehlender SIM-Karte natürlich nicht anrufen können. Der einzige Bankomat in der „Stadt“ funktioniert nicht, da müssen wir halt sparen.

















So langsam kommt auch der Hunger, sodass wir uns aufmachen ein Restaurant zu finden. Wieder hält ein Mann mit dem Auto an und fragt ob wir etwas brauchen oder ob er uns irgendwo hinbringen kann. Er weiß nicht, welches Restaurant offen hat. Daher nimmt er uns mit und fährt zu einem Freund, der vielleicht weiß, wo man etwas bekommt und fährt uns zum einzigen offenen Lokal, das etwas weiter draußen liegt. Dort kümmert er sich darum, dass wir noch etwas zu essen kriegen, obwohl die Küche schon geschlossen ist. Der Wirt fragt, ob wir uns nicht raus setzen wollen, draußen wäre so eine schöne Brise. Von der Brise haben wir nach 3 Tagen und Nächten durchsegeln einmal genug und bleiben lieber drinnen. Nach dem Essen überrascht uns, dass „unser“ Fahrer auf uns gewartet hat und uns auch wieder zurückbringen will. Er erzählt, dass auf der gesamten Insel Great Inagua 2.000 Menschen leben und jeder kennt jeden. Auf die 2.000 Menschen kommen zirka 50.000 Flamingos. Hier gibt es so viele Schrimps, dass sie sich rosa und rund fressen können. Die Flamingos zu verspeisen ist verboten, aber unser Fahrer weiß trotzdem, dass sie gut schmecken. Da offizielle Führungen zu den Flamingos ausgebucht sind, bringt er uns selber hin. Dann fährt er zu einem Laden, wo man SIM-Karten aufladen kann. Kaufen kann man dort keine, aber immerhin erstehen wir frisches Obst. Bei der Stadtrundfahrt durch die fünf vorhandenen Straßen zeigt er uns noch das Wohnhaus der SIM-Karten-Verkäuferin, bringt uns zurück zum Dinghi und ruft die Dame an, welche verspricht, gleich mit einer SIM-Karte vorbeizukommen. Nachdem sie einen Kaffee getrunken hat, mit der Nachbarin geplaudert hat und irgendwas noch gemacht hat, kommt sie nach einer Stunde. Die SIM-Karte funktioniert tadellos. Sensationell ist hier die Hilfsbereitschaft der Einheimischen.
Der Wind hat inzwischen wieder zugenommen. Jetzt machen wir uns zum Schiff auf, das nach wie vor am Anker rockt und rollt. Daher ankern wir in den Süden um. Dort rollt es zumindest nicht mehr so stark aber ruhig schlafen ist auch hier nicht. Bei diesen Bedingungen wollen wir mit dem Dinghi nicht mehr an Land und müssen die weitere Route planen. Denn am fünften Tag auf den Bahamas müssen wir wieder einen Covid-Test machen. Daher brauchen wir dafür einen entsprechenden Ort mit Krankenhaus. Die Strecken sind hier ziemlich weit, sodass wir täglich um die 40 Seemeilen segeln werden. Um nicht so früh los zu müssen, segeln wir noch zur nördlichen Man of War Bucht, von der man glauben würde, dass sie bei nordöstlichen Winden am unruhigsten ist. Aber das Gegenteil ist der Fall, sodass wir endlich mal wieder mal ruhig schlafen können. Von dieser Bucht wird auch das auf der Insel abgebaute Salz verschickt. Hier gibt es die zweitgrößte Salzproduktion der Welt, wodurch praktisch jeder auf der Insel für das Salz arbeitet. Unser Fahrer arbeitet ebenfalls dort und verschiebt mit einem riesigen Bagger die Salzberge, die überwiegend für die Industrie bestimmt sind.






















Da hier auf den Bahamas neben den Seekarten, ob elektronisch oder Papier, wegen der geringen Tiefe und der Korallenköpfe auch immer mit den Augen navigiert werden muss, sollte man immer rechtzeitig ankommen. Die Sonne sollte möglichst im Rücken stehen und eine polarisierende Sonnenbrille hilft, die einzelnen Untiefen auszumachen. Daher brechen wir früh auf um unser nächstes Ziel Hogsty Reef in 45 Seemeilen rechtzeitig zu erreichen. Dies ist das einzige Atoll im Atlantik und damit natürlich ein Muss. Hier bekommen wir den ersten Eindruck davon, wie schön die Bahamas sein können. Heller Sand und türkises Wasser. Der ehemalige Leuchtturm ist nur noch eine Ruine. Zur Inselansteuerung kann man sich an den gestrandeten Wracks orientieren, was nicht allzu optimistisch stimmt und noch sorgfältiger navigieren lässt. Beim Reinfahren tracken wir die Strecke mit, sodass wir vor Sonnenaufgang Anker auf gehen können und die gleiche Strecke auch im Dunkeln gefahrlos zurückfahren können. Neben dem Anker hat es sich ein Rochen gemütlich gemacht und durchsucht den Sand.
Zu Mittag kommen wir auf der nächsten Insel – Castle Island – an. Auf Castle Island gibt es Ruinen vom ehemaligen Haus des Leuchtturmwärters. Der Leuchtturm steht zwar noch, funktioniert aber nicht wie die meisten anderen Leuchtfeuer auf den Bahamas. Wir schnorcheln zum Strand und gehen zum Leuchtturm. Da kein sichtbarer Weg zu finden ist, versuchen wir es von der ehemaligen Schiffsanlegestelle aus. Nach kurzer Zeit ist der Weg am Ende und wir bedauern, keine Machete dabei zu haben. Mit Tauchschuhen und Badehose beziehungsweise Bikini schlagen wir uns durchs Gebüsch. Irgendwann werden wir von Kakteen gestoppt, müssen immer wieder die Richtung ändern bis wir am ersten Gebäude ankommen. Leider gibt es von dort auch keinen Weg. Also weiter durchs Gestrüpp. Die kunstvollen Netze der schön und giftig aussehenden Spinnen versuchen wir zu umgehen. Als wir den Leuchtturm endlich erreichen, stellen wir fest, dass dort vieles dem Rost zum Opfer gefallen ist. Trotzdem hat der alte Leuchtturm Charakter. Die Stufen hinauf sind nicht mehr vorhanden. Vom Leuchtturm finden wir dann sogar einen halbwegs brauchbaren Weg zurück zum Strand. Dort liegt ein Wrack im Wasser, welches von Martin beschnorchelt wird. Danach sind wir dann rechtschaffen müde und Infinity schaukelt uns bald in den Schlaf. Denn am nächsten Tag ist Antigen-Test angesagt und dafür brauchen wir eine Klinik. Bis dahin, ist es ein gutes Stück weit zu segeln und wir müssen zum Nasenbohren spätestens um 15 Uhr dort sein. Allmählich wird es zur Gewohnheit um 4.30 Uhr aufzustehen. Dafür erlebt man den wunderschönen Sonnenaufgang am Meer.
Ziemlich knapp kommen wir in Land-Rail-Point-Settlement auf Crooked Island an. Ein langer Name für eine 100 Seelen Gemeinde. Im Ort leben ausschließlich Sieben Tage Adventisten, die weder rauchen noch Alkohol trinken. In einem Reiseführer finden wir die Abkürzung BYOB bei einem Restaurant: „Bring your own bottle“. Nach dem dritten Ankerversuch hält der Anker und ist so eingegraben, dass er samt dem Bügel komplett im feinen Sand verschwunden ist. Hier zeigen sich die Bahamas zum ersten Mal so, wie man sie sich vorstellt: Sonne, weißer Sand, Palmen und türkises, klares Meer. Mit dem Dinghi fahren wir in einen winzigen Hafen und machen uns auf die Suche nach der Klinik für den Test. Eine nette Dame gibt uns gleich Auskunft. Bei der nächsten Straße links finden wir auch gleich das rosa angestrichene Gesundheitsgebäude. Eine Viertelstunde vor Schluss kommen wir gerade noch rechtzeitig an und machen den Test bei einer sehr netten Krankenschwester. Mit einem Tablet scannt sie unseren Gesundheitspass und gibt die negativen Testergebnisse ein. Alles digitalisiert. Sie begleitet uns dann durch den Ort. Bankomaten gibt es keinen, allerdings kann man im Lebensmittelladen mit der Kreditkarte Bargeld bekommen. SIM-Karte für Kerstin gibt es bei der Schwiegermutter der Schwester, die gleichzeitig auch die Vorsteherin der hiesigen Adventisten-Gemeinde ist. Unterwegs treffen wir noch zwei ihrer Onkel, die uns freundlich grüßen. Die angebotenen SIM-Karten sind extrem teuer, dazu kann man nicht mit Kreditkarte zahlen. Also geht Martin ins Lebensmittelgeschäft um Bargeld zu holen. Dort trifft er eine Frau, die ein T-Shirt vom Konkurrenzunternehmen “aliv” trägt. Die Karte kann man nicht bei ihr kaufen, sondern beim Schulbusfahrer. Der sei zwar gerade unterwegs, aber wir können in seinem Garten warten bis alle Schüler daheim sind. Es dauert nicht lange und er lädt Martin netterweise ins Privathaus ein um das Geschäftliche zu erledigen. Aufräumen scheint nicht seine Stärke zu sein. Der Fernseher lief den ganzen Tag, auch als keiner zuhause war. Während er die Karte verkauft, erzählt der Sim-Karten verkaufende Schulbusfahrer, dass er eigentlich Fischer ist. Da soll sich noch einer auskennen. Aber zweifellos ein echtes Multitalent und nett obendrein.






















Da wir nach zwei Inseln à la Robinson Crusoe wieder mal ausgehen möchten, reserviert Martin am Vortag ein Abendessen in einem Restaurant. Die Wirtin fragt, was wir essen möchten. Als wir uns Fisch wünschen, sagt sie, eigentlich wäre Chicken- und Pizza-Tag. Wir kommen am Restaurant an. Dort ist gerade die aliv-Verkäuferin dabei, die Tische zu decken. Schon wieder ein Multitalent. Wahrscheinlich kann man vom Mobilfunk hier nicht leben und man braucht mehrere Jobs. Das Restaurant gehört ihrer Mutter, welche allerdings nichts von einer Reservierung weiß. Ach so, es gibt im Dorf noch ein Restaurant. Die junge Frau bietet uns gleich an, uns dorthin zu fahren, das ginge einfacher als den Weg zu beschreiben.So kommen wir in ein Gasthaus, das zwar noch nicht geöffnet hat, aber wir können uns hinsetzen und etwas trinken. Als die Küche öffnet, erzählt uns die Köchin, die eigentlich Hotelbetreiberin ist, dass sie einen Barsch für uns besorgt hat. Es gibt zur Vorspeise Nachos, einen tollen Salat und als Nachspeise eine Roulade. Der Fisch ist ausgezeichnet, im Ofen mit einer Marinade überbacken, welche überwiegend aus Mayonnaise besteht. Ein bisschen Fett muss halt sein. Achja, die Köchin, die Wirtin und Hotelbetreiberin ist, arbeitet zusätzlich in einem Amt. Hier sind alle wirklich fleißig und sehr hilfsbereit. Wir müssen bald wieder zum Boot, der nächste Segeltag wartet schon auf uns. Unser nächster Stopp heißt Clarence Town am Sandy Point auf Long Island.
Dass der Name „Town“ nicht unbedingt Großstadt bedeutet, hat bereits Matthew Town eindrucksvoll bewiesen. Daher wundern wir uns nicht über die paar Häuser, sondern sind froh, die Einfahrt zwischen Wellen und Untiefen gut zu finden. Morgen verlassen wir Long Island auch schon wieder und segeln 70 Seemeilen nach Georgetown auf Great Exuma. Da heißt es wieder vor dem Morgengrauen los segeln. Dann werden wir endlich am Sehnsuchtsziel Exumas angekommen sein und lassen es nach dem Meilenfressen der vergangenen Tage etwas gemütlicher angehen.
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