Hier geht es zum ersten Teil dieses Artikels: Teil 1 Atlantik
Nachdem wir das Nadelöhr Gibraltar beinahe unfallfrei überstanden haben, heißt es bei null Wind und null Welle innehalten und Schaden begutachten und begrenzen. Als erstes kümmern wir uns um den Außenbordmotor. Der wird mit Hilfe des Gennakerfalls nach vorne in den Ankerkasten verfrachtet. Das Dinghi wird verzurrt und zusätzlich gesichert. Unglaublich, dass das Boot überhaupt so ausgeliefert wird. Die Leinen sind unterdimensioniert und die Halterung ist insgesamt nicht besonders gut angebracht. Ein Punkt auf unserer steilen Lernkurve. Immerhin sind Dinghi und Motor noch da. Während unserer Arbeiten erreicht uns ein Funkspruch der spanischen Marine. Was wir denn da so machen würden und dass in diesem Bereich eine Militärübung durchgeführt würde. Somit heißt es Motor an und nichts wie weg. Damit dreht auch das Militärschiff wieder ab. Durch die Nähe zu Marokko patrouillieren viele spanische Schiffe an der Grenze des spanischen Hoheitsgebietes.
Da das Schiff nicht mehrwertsteuerpflichtig ist, fahren wir an der spanischen Küste entlang. Kurz vor Almeria in Kerstins Nachtwache stellt sie fest, das neben unserem Boot ein Schiff fährt, das ausschaut wie ein Fischerboot, aber kein AIS und fast keinen Radarschatten hat. Nachdem dies allerdings parallel zu uns fährt, konzentriert sie sich auf die Schnellfähre, die mit 70 km/h auf Kollisionskurs ist. Durch leichte Reduzierung unserer Geschwindigkeit gibt es keine Gefahr mehr. Aber plötzlich kommt ein kleines Schnellboot von hinten an unsere Plattform und vier Männer springen aufs Boot. Sie schauen aus, als hätten sie kugelsichere Westen an und als wären sie bewaffnet. Sind das Piraten? Ein Riesenschreck! Dann brüllen sie „Customs“ und heben beschwichtigend die Hände. „Where is the captain?“. Na, den holt Kerstin auf der Stelle aus dem Bett. Damit kriegt Martin die Lightversion des Zollüberfalls mit.
Als erstes werden sie gebeten, sich mal zu setzen. Damit sieht die Sache schon weniger bedrohlich aus. Schließlich sind wir keine Verbrecher und bereits in Spanien einklariert. So zücken wir unser vom Zoll in Gijon ausgestelltes Permit. Das interessiert die Beamten allerdings herzlich wenig. Nein, mit den Behörden von Gijon würde man nicht zusammenarbeiten, sie wollen die Schiffspapiere sehen, um festzustellen, ob sie die Mehrwertsteuer kassieren können. Mittlerweile sitzen 4 Beamte um uns herum um alle Papiere zu sichten. Das Boot ist im Besitz der kroatischen Firma und damit ist keine Mehrwertsteuer fällig. Sie sprechen nur spanisch, wir nicht und die Papiere sind in kroatisch verfasst. Mit der Mehrwertsteuernummer der kroatischen Firma geben sie sich zufrieden. Aber irgendwas wollen sie unbedingt finden und so werden wir beschuldigt, die spanische Gastlandflagge nicht gehisst zu haben. Martin zückt unseren Scheinwerfer, um den Herren das Sehen zu erleichtern. Natürlich haben wir die Flagge gehisst, sodass sie uns unverrichteter Dinge wieder verlassen. So eine Aktion ist sicher nicht alltäglich. Ein kurzer Funkspruch würde helfen. Einem Schnellboot könnten wir sowieso nicht entkommen. Wahrscheinlich haben die Zöllner Langeweile und meinen, Frauen am Steuer zu erschrecken wäre lustig.




































Unsere Route müssen wir von Tankstelle zu Tankstelle planen, da der Wind uns derzeit komplett im Stich lässt. Ist keine Flaute, kommt der Wind direkt von vorne. Der nächste Tankstopp ist in Cartagena. Die Stadt soll auch sehr schön sein mit historischen Häusern. So gönnen wir uns eine Nacht zum Ausschlafen und erkunden die Stadt. Die Fassaden der Häuser sind wirklich schön, aber sonst steht von den Häusern nicht mehr viel. Sie werden mit Gerüsten gesichert und dahinter findet sich nur noch der Bauschutt der abgerissenen Gebäude. Am Morgen staunen wir nicht schlecht, als wir sehen, dass am Nachbarsteg in der Nacht ein Kreuzfahrtschiff angelegt hat. Wo wollen wohl die paar tausend Besucher hin? Wir setzen uns auf den Stadtplatz und genießen Musik und Kaffee. Dabei sehen wir den flanierenden Menschen zu. Die Spanier gebräunt, schön gekleidet, in gefühlter Lichtgeschwindigkeit wild gestikulierend. Dann kommen die Kreuzfahrtgäste. Das Durchschnittsgewicht liegt bei 120 kg, schweinchenrosa Haut zeugt vom frischen Sonnenbrand, viele kommen mit Gehhilfen. Gegensätze ziehen sich an.
Vollgetankt starten wir weiter gen Osten und würden gerne über Malta fahren. Allerdings kommt der Wind von vorne und so kommen wir ohne Tankstelle auf dem Weg nicht weit. Also fahren wir nach Cagliari im Süden Sardiniens. Auf dem Weg begleiten uns ein paar Delfine, immer wieder ein Anblick, den wir mit einem breiten Lächeln genießen. Als erstes legen wir an der Tankstelle an, damit wir den Diesel gleich abhaken können. „Gleich“ ist in Italien ein relativer Begriff. Schließlich ist gerade Siesta bis zirka 15 Uhr. Mit uns wartet ein türkisches Schiff auch auf Diesel. Sie laden uns auf ihr Boot ein, schließlich haben wir ja viel Zeit. Sie sind fassungslos. Wartezeit auf ein Geschäft gibt es in der Türkei nicht. Nach dem Tanken legen wir an unserem Liegeplatz an und machen uns auf den Weg zum Marinabüro. Auf dem Steg begrüßt uns ein Müllhaufen weil die Marina nur eine einzelne kleine Mülltonne hat, was für die vielen Boote natürlich viel zu wenig ist. Cagliari ist auf jeden Fall sehens- und schmeckenswert, sodass wir etwas runder wieder wegfahren als wir angekommen sind.
Schon geht es weiter, die Uhr tickt. Das Boot ist bereits verchartert und wir wollen etwas von der verspäteten Auslieferung der Werft aufholen. Auf dem Weg zur Straße von Messina müssen wir die äolischen Inseln links liegen lassen. Dabei wären die Inseln zwischen Pecorini und Stromboli ein schönes Segelrevier. Ein kurzer Zwischenstopp fällt aus, da wir mit der richtigen Strömung durch die Straße von Messina wollen. Dort wechselt alle 6 Stunden die Strömung mit einer Geschwindigkeit von zirka 5 Knoten. So rauschen wir mit der Strömung und einer Bootsgeschwindigkeit von 10 Knoten Richtung Süden. Am nördlichen Ende der Meerenge fährt ein Segelboot schräg über das Verkehrstrennungsgebiet. Das ist natürlich verboten. Daher wird das Boot mit dem Namen „Rauschkugel“ immer wieder über Kanal 16 angefunkt. Aber das geht vermutlich im Rausch an ihnen vorbei und sie fahren unbehelligt weiter.
Den Ätna verschläft Kerstin während ihrer Freiwache, dafür kann sie die Südküste von Kalabrien bewundern. Unser Tank meldet wieder einmal Dieselbedarf. Somit steuern wir auf Crotone am unteren Ende des Stiefels zu. Die Tankstelle liegt neben einem Restaurant direkt bei der Hafeneinfahrt. Da wir dort niemanden sehen, fragen wir beim Restaurant nach. Wir möchten das Tanken wieder gleich bei Ankunft erledigen. Der Kellner lächelt freundlich und ruft den Tankstellenbesitzer an, der gleichzeitig Restaurantbesitzer ist. Eine knappe Stunde später kommt mit einem Roller ein sichtlich aufgebrachter Tankwart daher und erklärt uns wortreich, dass wir ja wohl nicht ganz dicht sind. Es ist Siesta und da stört man keinen Italiener! Ist notiert.
Crotone ist völlig relaxt. Man erklärt uns mit Händen und Füßen die Wege zum Markt und zum Friseur. Sie sagen auch gleich, dass das zweite Geschäft die besseren und frischeren Waren hat. Am Ufer verläuft eine schmale Straße, wo man kaum mit einem Auto durchkommt. Wir sitzen am Straßenrand und verfolgen die Geschehnisse um uns herum. Plötzlich kommt ein Feuerwehrauto mit Blaulicht und Folgetonhorn über die Straße gefahren, schlängelt sich mit höchstmöglicher Geschwindigkeit durch die parkenden Autos und bleibt genau vor unserem Café stehen. Wir schauen uns um, sehen aber kein Feuer oder sonst irgendetwas bedrohliches. Die Feuerwehrmänner springen aus dem Auto und sprinten ins Lokal, um dort ihre Kinder und Frauen zu begrüßen und ein Eis zu essen. Mit Blaulicht geht es einfach flotter durch den Stau.









































Nun legen wir für unsere letzte Etappe Richtung Einklarierungshafen in Kroatien auf Lastovo ab. Beim Sonnenaufgang kommen noch einmal Delfine zum Boot und haben Zeit zum Spielen. Sie schwimmen rückwärts stehend mit der Schwanzflosse im Wasser, wie wir es nur von dressierten Tieren kennen. Kerstin meint, sie wären extra zum Verabschieden vorbeigekommen. Kaum in Lastovo festgemacht, kommt eine große Fähre und parkt sich genau neben uns. Das geöffnete Maul spuckt Autos aus. Die letzten 60 Seemeilen segeln wir nur tagsüber. Da wir von den Nachtfahrten ziemlich geschlaucht sind, gönnen wir uns zwei Nächte vor Anker. Auch gibt es in Kroatien viel Schiffsverkehr, sodass man immer aufpassen muss. Die Freude ist groß, als wir gut in unserem Heimathafen Trogir ankommen. Damit haben wir mit Infinity das erste große Abenteuer heil überstanden.
Die Charterfirma übernimmt dankend das Schiff. Mit Martins Eltern, die uns in Trogir abholen, drehen wir noch eine kleine Segelrunde in der Nähe von Trogir und dann heißt es erstmal Abschied nehmen von Infinity. Im Herbst sehen wir und hoffentlich wieder für einen Chartertörn.
[…] Hier geht es zum zweiten Teil dieses Artikels: Teil 2 Mittelmeer […]