Von Espiritu Santo bis nach Vanua Lava  

Das Abenteuer Millennium Cave Trail auf Santo startet schon bei der Fahrt mit dem Allrad Pickup. Zuerst geht es morgens im Schritttempo eine Stunde lang über eine Buckelpiste zum Ausgangspunkt. Die einzige längere Gerade ohne Schlaglöcher ist die Flugpiste der Amis aus dem zweiten Weltkrieg, die jetzt als Straße genützt wird. Wie schade, dass sie deren Straßenbaumaschinen ins Meer gekippt haben. Jetzt gehen wir erstmal eine Stunde lang zum Ausgangspunkt der Wanderung teilweise durch knöcheltiefen Schlamm. Manchen zieht es dabei die Schuhe aus und es wird barfuß weitergewandert. Macht nichts, soll ja gesund sein und weich ist es auch. Der Ausgangspunkt der Wanderung ist ein Dorf, wo man alles zurücklässt was nicht nass werden soll. Dann gehen wir zu fünft mit drei Guides zirka drei Stunden durch den Dschungel zum Teil über steile Leitern und abenteuerliche Brücken zur Millennium Cave.


Kurzvideo: Millenium Cave Canyoning

Die Millennium Cave ist fünf Meter breit und 30 Meter hoch, bevölkert von Fledermäusen und es läuft ein kleiner Fluss durch. Durch diesen waten und schwimmen wir mit Lampen bewaffnet für eine halbe Stunde. Die große Höhe der Höhle, die Gesteinsformationen und der Fluss machen die Höhlenwanderung zu einem speziellen Erlebnis. Atemberaubend ist der Anblick, als wir aus dem Dunkel der Höhle auf der anderen Seite hinausschwimmen und in einer sonnendurchfluteten Schlucht an einem kleinen Flussstrand herausgespült werden. Die Wände fallen senkrecht ab und sind trotzdem dicht mit allerlei Pflanzen und Bäumen in allerlei Grüntönen bewachsen. Nach einer Mittagspause geht es nun für eine Stunde weiter schwimmend, watend und kletternd durch einen Canyon, der über die Jahrtausende tief ausgespült wurde. Wunderbare geschliffene Wände in vielen Formen und Farben, einige Dutzend Wasserfälle und das immer wieder verschieden einfallende Sonnenlicht verleihen dem Canyon-Abenteuer Unvergessliches. Am Ende angekommen entdecken wir erfreut ein Schild, das nur mehr 30 Minuten bis zum Ausgangspunkt der Wanderung veranschlagt. Martin freut sich schon auf die nächste Rast nachdem wir nun schon sechs Stunden unterwegs sind. Doch dann fällt der Blick auf den angeblichen Weg. Es ist kein Weg, sondern eine Leiter, die in den Himmel ragt soweit das Auge reicht. Eigentlich ist es auch keine Leiter, sondern notdürftig zusammengezimmerte Holzscheite. Los geht’s. Wenn der erste fällt, fallen die anderen mit. Am Ende der Leiter angekommen würde man nicht glauben, dass man die Erlebnisse des heutigen Tages noch toppen kann. Weit gefehlt. Nun klettert man mithilfe eines Seils durch einen Wasserfall steil nach oben. Der Wasserfall ist vulkanisch warm und die vom Wasser ausgeschwemmten Naturstufen sind interessanter Weise griffig mit gutem Halt. Völlig verzückt kommen wir oben an und wandern die letzte halbe Stunde durch Obst- und Gemüsegärten zum Dorf wo frisch geerntete köstlich-saftige Pampelmusen, Grapefruits und Kaffee auf uns warten. Nun heißt es nur mehr eine Stunde durch den Schlamm zurück zum Auto zu gehen und eine Stunde Buckelpistenfahrt bis nachhause. Anstrengend aber absolut empfehlenswert.

Nachdem wir uns auf dem Markt mit Obst und Gemüse eindecken, segeln wir gleich am nächsten Tag weiter zum angeblich schönsten Strand der Insel Santo – nach Port Olry. Der Wind bläst aus Südost und unsere Richtung ist Nordwest. Den Wind exakt von hinten hat man auf unserer Strecke nicht oft und das ist natürlich wie geschaffen für unseren Gennaker. Mit Spitzengeschwindigkeiten von über 12 Knoten schießen wir dahin. Fredl tut sich schon schwer mit der Geradeausfahrt aber er bemüht sich redlich. Einen Port vermisst man in Port Olry gottseidank aber der Strand ist wirklich schön wie aus dem Südsee-Bildkalender.  In einem weiteren Tagesschlag landen wir auf der Insel Gaua. Die Sicht ins Wasser ist wegen der Bewölkung schlecht und wir fahren exakt nach Wegpunkten aus einer einschlägigen Vanuatu-App zwischen den Riffen in die Bucht. Der Anker lässt sich auch beim vierten Versuch nicht zufriedenstellend einfahren. Saftige Fallböen wehen vom Hügel herunter. Dieser Ankerplatz kommt für uns nicht in Frage, denn wir wollen nicht mitten in der Nacht mit slippendem Anker zwischen den Riffen aufwachen. Beim nächsten Ankerplatz auf der Nordseite von Gaua haben wir auch nicht mehr Glück. Bei Sonnenuntergang, lässt sich der Anker am dritten Ankerplatz ganz im Nordosten der Insel endlich zufriedenstellend einfahren und wir schlummern sorgenfrei und selig.

Nun noch ein kurzer Schlag von 20 Seemeilen auf die Insel Vanua Lava. Dort liegt der offizielle Port of Entry „Sola“. Wir landen mit dem Beiboot am Strand. Kinder und Erwachsene laufen zusammen und beäugen uns freundlich. Die Tankstelle hat ein Solarstromproblem und deshalb bekommen wir von Privatpersonen Diesel und Benzin mit einer Handpumpe von großen Blechfässern in unsere Kanister gefüllt. Wenn man fragt, lassen die Einheimischen nichts unversucht, um zu helfen. Strom ist auf dieser Insel nicht selbstverständlich. Treibstoff ist sehr teuer. Es ist bewölkt und regnet viel. Da kommt man mit Solarenergie nicht weit und Kraftwerk gibt es natürlich keines. Am Marktplatz ist ein Pfarrfest im Gange und man vergnügt sich mit lauter Musik und Ansprachen. Alkohol wird keiner getrunken. Ist zu teuer. Das Gratisessen der Pfarre nehmen wir nicht in Anspruch. Wenn man die Kleidung und Behausungen der Einheimischen sieht, isst man ihnen nichts weg, sondern bringt etwas mit.  

Einige fragen, ob sie uns helfen können und weisen uns den Weg zum Zollbüro, das wir um die Mittagszeit betreten. Kleinlaut erklärt uns der Beamte, dass in Sola derzeit keine Beamten sind und deshalb nicht ausklariert werden kann. Wir zeigen ihm die offizielle Webseite seiner Regierung wo Sola sehr wohl eingetragen ist. Außerdem hat uns der Zollbeamte in Tanna erklärt, wir könnten mit diesem Papier auch in Sola ausklarieren. Nun werden die Behörden in Luganville per Telefon befragt. In einem intensiven und zum Teil etwas lauten Gespräch erklärt Martin unsere Situation. Der nächste Beamte für Sola wäre schon in Einschulung, ist aber noch nicht vor Ort. Gegen den Wind und über Wochen aufgebaute Wellen samt Strömung nach Luganville zurückzufahren, ist keine Option für uns. Immerhin ist es nicht unsere Schuld, dass hier gerade kein Befugter sitzt. Die Polizisten und Finanzbeamten vor Ort erklären uns, dass sie die Stempel hier hätten und die Klarierung auch in der Vergangenheit gemacht hätten, dies aber jetzt nicht mehr dürften. Luganville lässt sich nicht erweichen. Entweder zurücksegeln oder einen Beamten einfliegen. Nachdem die Flüge nicht teuer sind, entscheiden wir uns für zweiteres.

Kurzfristig spielen wir mit dem Gedanken, die Papiere einfach selber zu machen und abzusegeln. Werden das die Behörden hier auf sich sitzen lassen oder die umliegenden Zollstellen informieren? Früher wäre das weniger ein Problem gewesen. Heutzutage stehen die Behörden untereinander mit email in Kontakt und jeder hat ein Mobiltelefon mit Kamerafunktion, mit denen man Fotos von Dokumenten leicht versenden und verifizieren lassen kann. Die Behörden auf den Salomonen und in Indonesien haben den Ruf, es sehr genau zu nehmen. Ganz ohne Dokumente anzukommen, wird Probleme und Rückfragen in Vanuatu verursachen und öffnet Tür und Tor für Korruption. Auch wenn es vielleicht nicht sehr wahrscheinlich ist, dass man erwischt wird, kann man als Dokumentenfälscher doch empfindliche Strafen aufgebrummt bekommen. Einen Knast möchte man hier nicht von innen sehen, ganz zu schweigen, was mit dem Schiff währenddessen passieren könnte. Und dann wäre da noch die etwas sorgenvolle Zeit, die vor uns läge. Werden sie es merken? Was wird passieren? Wird der Ausklarierungshafen im nächsten Land benachrichtigt, bevor wir über alle Berge sind? Gibt es die ominöse schwarze Liste für Schiffe wirklich? Wenn das Schiff da draufsteht wird man in jedem Land gefilzt wie ein Krimineller. Steht das alles im Verhältnis zu 300 Dollar und ein paar Tage warten? Nein, wir gehen den redlichen Weg.

Am nächsten Tag versucht Martin noch einmal schriftlich per SMS alle Argumente in die Waagschale zu werfen. Ohne Erfolg. Wir müssen uns sogar um den Flug für den Beamten kümmern was keine leichte Aufgabe ist. Gottseidank haben wir spärlich Mobilfunkempfang an unserem Ankerplatz. Der Anruf bei der Fluggesellschaft samt buchstabieren von „Giretzlehner“ ist noch die leichtere Übung. Die Zahlung mit der Kreditkarte wird nicht durchgeführt, weil die Systeme der österreichischen Kreditkartengesellschaft vermeintlich Betrug wittern. Netz weg. Ein Anruf mit dem Satellitentelefon bei der Sperrhotline kann das Missverständnis ausräumen. Die Sprachqualität ist bei vollem Satellitenempfang so schlecht, dass wir kaum glauben können, wie man damit in einem Notfall jemanden benachrichtigen kann, wenn noch lautere Nebengeräusche dazu kommen. Aber das ist ein anderes Thema. Jetzt noch die Fluggesellschaft davon überzeugen, dass sie die Zahlung nochmal versuchen sollen und das Ticket nicht stornieren. An unserem Mobiltelefon gibt es einen Fehler, bei dem der Bildschirm nicht mehr aktiviert wird, sobald das Telefongespräch läuft. Ein schwarzer Bildschirm macht es nicht einfacher. Auch das Auflegen funktioniert dann nicht mehr.  Netz wieder da. Jetzt geht das Telefonguthaben aus. Das kann man über Internet nachkaufen und über SMS aktivieren. Dann geht das Internetguthaben aus. Gut, dass wir zwei Simkarten haben und das ebenfalls elektronisch lösen können. Dann fällt das Mobilfunknetz zirka alle 5 Minuten aus und kommt aber nach 20 Sekunden wieder. Die Beamten scheinen sich mit Schreiben schwer zu tun und so wird alles mit Telefonanrufen abgestimmt. Das heißt, immer zurückrufen weil mangels Empfang die Anrufe nicht durchgehen. Damit ist das Guthaben wieder aus und wir kaufen einige Male nach.

Die Hotline-Mitarbeiter der Air Vanuatu sind freundlich, aber mit Bislama-Dialekt sehr schwer verständlich. Die Sachbearbeiterin hebt nicht ab. Das Netz ist wieder weg. Unseren Namen buchstabieren ist auch jedes Mal eine Herausforderung. Endlich hat Martin jemanden dran, der versteht und sich kümmert. Guthaben aus. Netz weg. So geht es zwei Tage dahin. Heureka! Die Zahlung für den Flug ist nun durchgegangen und die Tickets sind beim Beamten angekommen. Heute wird ausklariert. Nichts wie weg von hier. Am Morgen drei entgangene Anrufe. Netz weg. Zurückgerufen. Der Beamte informiert uns, dass der Flieger wegen nasser Landebahn nicht in Sola landen kann. Das hätten wir ihm schon am Montag sagen können, denn hier regnet es mehrmals täglich quer und es ist so bewölkt, dass wir seitdem wir hier sind, die Hügelspitzen nie zu sehen bekommen haben. Das wird sich nach unserer Einschätzung auch die nächsten Jahre hier nicht ändern. Ja es sieht sogar so aus, als hätte hier noch nie die Sonne gescheint. Netz weg. Der Flug wird auf nächsten Tag verschoben. Zwischendurch rauft sich Martin die Haare.

Der Beamte aus Luganville will nun die Dokumente per Mail senden, damit wir tags darauf direkt beim Flughafen mit ihm die Formalitäten erledigen können. Er vertippt sich zum zweiten Mal bei der email-Adresse und es kommt wieder nichts an. Netz weg. Guthaben aus. Regen quer. Und so weiter. Jetzt gilt es, den Agenten in Indonesien zu informieren, dass wir früher kommen. Sonst dürfen wir nicht einreisen. Denn dort muss man im Voraus zahlen und wir haben nur mehr wenige Tage Internet für eine Online-Banking-Überweisung. Der Agent war lange im Funkloch und meldet sich endlich. Die Auslandsüberweisung funktioniert am Handy weder in der App noch im Browser. Komisch. So muss eben der Laptop ran. Netz wieder da. Zwischendurch Anrufe vom Zollbeamten. Handy unbrauchbar weil der andere nicht auflegt. Dabei funktioniert auch kein Neustart. Eventuell kommt der Bildschirm wieder wenn ein zweiter Anruf eingeht? Netz weg.

Irgendwann kriegt es Martin mit der Überweisung am Laptop hin nachdem die Haare wieder fleißig gerauft werden. So lernt man funktionierende Infrastruktur samt funktionierender Bürokratie zuhause wieder zu schätzen. Aber schließlich und endlich wollten wir was anderes kennenlernen. Deshalb sind wir hier und es wäre fad wenn es überall so wäre wie zuhause. Also keine Klagen unsererseits sondern nur Schilderungen. Immerhin haben wir in Vanuatu den Meister des Chillens kennengelernt. Er kommt aus Australien und heißt Dillon. Auf die Frage was er in den nächsten Monaten so macht, antwortet er voller Ernst: „Erstmal segeln und wie heißt noch der Monat nach August?“ Wir vergessen auch schon mal welcher Wochentag ist aber wenn einem die Monatsnamen schon wurscht sind, macht man bestimmt alles richtig.

Wir verwerfen unseren Plan, über die Salomonen zu segeln. Der Zeitplan war ohnehin eng und mit der Verspätung des Ausklarierens wird es nicht besser. Wegen Wind und Wetter sollte man vor Oktober durch die Torresstraße fahren. Also werden wir das mit einigen Zwischenstopps ohne den Umweg über die Salomonen gleich in Angriff nehmen und nach Indonesien segeln. Durch die Torresstraße zwischen Australien und Papua-Neuguinea ist höchste Aufmerksamkeit geboten. Hier ist es über mehrere hundert Seemeilen flach und von Riffen durchsetzt. Noch dazu gibt es an manchen Stellen bis zu sieben Knoten Strömung und die Durchfahrt will gut geplant sein. Wir werden die südlichere „Raine Route“ durch die Torresstraße nehmen, da sie in einem besseren Winkel zum Wind liegt und einige Ankerplätze zum Verschnaufen bietet. Zwischendurch finden wir einige Stunden Zeit, das Schiff auf die weite Reise vorzubereiten und die Wegpunkte durch die gefährlichen Gewässer in die Navigationssysteme zu laden. Auf der anderen Seite der Torresstraße warten dann meilenlange Fischernetze auf uns. Wir dürfen jetzt unsere elektronische Seekarte für den indischen Ozean aktivieren. Das gibt uns Gelegenheit, mal kurz nachzudenken: „Wahnsinn, wie weit wir schon gekommen sind! Pfiati Pazifik, schön warst du“.

2 Kommentare

  1. Schade, dass diesen Bericht mein Bruder nicht lesen kann, wir hätten uns gerne darüber unterhalten und “gefiebert”. Gute Weiterreise!

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