Tropischer Nordosten Australiens

Nun befinden wir uns wahrhaft in den Tropen. Es ist feucht, schwül und wir übersiedeln im Camper ins Erdgeschoss, da die Liegefläche direkt unter dem Dach einer Sauna gleicht. Auf den nächsten Halt freut Kerstin sich besonders. Im Eungella Nationalpark gibt es die seltenen Schnabeltiere in freier Natur zu bewundern. Tatsächlich können wir in einiger Entfernung immer wieder kurz die Tiere erspähen, die Schnäbel wie Enten haben und Schwänze wie Biber. Sie tauchen zum Luftholen und Kauen für einige Sekunden aus dem trüben Fluss auf und verschwinden dann wieder für eine Minute unter der Wasseroberfläche. Das Wasser ist schlammbraun von den regelmäßigen Regenfällen und lädt nicht wirklich zum Schwimmen ein. Außerdem leben hier auch Schlangen, Frösche, Spinnen und Schildkröten. Wir machen eine kleine Regenwaldwanderung. Wo man sich in der Karibik für solche Unternehmungen am besten eine Machete mitnimmt, kann man hier bequem mit dem Kinderwagen oder Rollstuhl fahren. Die Wege sind zum Teil geteert, breit, mit Geländer und Rampen. Über Baumwipfel führt ein Weg, der im krassen Gegensatz zum uralten verschlungenen Wald steht. Um Haaresbreite verfehlt Martins Hals beim Wandern eine handtellergroße Spinne, die gerade begonnen hat, ihr Netz über den Wanderweg zu spannen. Entgegenkommende Wanderer werden gewarnt. Mit Panoramablick genießen wir noch eine kleine Mahlzeit auf einer Terrasse wo es lärmt und kreischt. Große Flughunde hängen zu hunderten verkehrt in den Bäumen und schreien sich die Seele aus dem Leib. 

Jetzt fahren wir ins Zentrum des Great Barrier Riffs nach Airlie Beach. Von dort aus kann man Ausflüge auf die Withsunday Inseln machen, die mit schönen Stränden und Korallen aufwarten. Jetzt in der Regenzeit, welche von Dezember bis März dauert, kann man nicht einfach im Meer schwimmen, da es besonders in Strandnähe giftige Würfelquallen gibt. In Airlie Beach gibt es deshalb ein großes lagunenartiges Schwimmbad mit Sand und Palmen, damit man zu dieser Zeit trotzdem ins Wasser kann. Auch gibt es einen kleinen Strandabschnitt, der mit einem Netz gegen die Quallen gesichert ist. An jeder Ecke steht Essig zur freien Entnahme, da dies das Mittel der Wahl bei Quallenverletzungen ist. Zum Teil gibt es auch noch Spender mit Sonnenschutzcreme Faktor 50 und Desinfektionsmittel daneben. Spätestens jetzt sind wir uns sicher, dass die Entscheidung für uns richtig ist, Australien nicht mit dem Segelboot zu besuchen. 

Abends lassen wir uns ein Bier zu Livemusik schmecken. In vielen Lokalen spielen Alleinunterhalter, die sämtliche Instrumente während des Liedes nach und nach als Loop einspielen und während der Wiedergabe der soeben aufgenommenen Loops gleichzeitig das Ganze mit Soli und Gesang ausschmücken. Sehr virtuos. Schließlich wird auf Musik aus der Dose gewechselt und DJ Ötzi plärrt uns an. Skihütten-Stimmung in tropischer Atmosphäre.

Für die Whitsunday Inseln buchen wir einen günstigen Tagesausflug mit Bootsfahrt, Aussicht, Strand und Schnorcheln in einem. Man kann auch Segelboote mieten, muss aber einen halben Tag mit dem Charterunternehmen probesegeln. Das ist bestimmt sinnvoller als irgendein Patent vorzulegen. Es dauert uns aber zu lange, ist außerdem teuer und wegen der Quallen kann man nicht ins Meer springen. So machen wir die Schmalspur-Gruppen-Ausflugsvariante. Die Inseln erinnern uns ein wenig an die Lau-Gruppe in Fidschi. Dazu gibt es den berühmten Whitehaven Strand aus weißem Quarzsand. Dieser wurde hier angeschwemmt. Das Quarz wurde angeblich auch für die Linse des Hubble-Weltraumteleskop verwendet. Wenn man darüber spaziert, quietscht es und es blendet richtig. Das ist natürlich ein entsprechender Touristenmagnet, sodass reger Bootsverkehr herrscht. Jeder Tourenanbieter fährt erst einen Aussichtspunkt an, von dem man den schlangenförmigen Sandstreifen ausmachen kann. Am Nordende des Strandes hat man einen Filmausschnitt aus „Piraten der Karibik“ gedreht. Wir behaupten, dass man einen mindestens genauso passenden Strand auf den Bahamas in der Karibik gefunden hätte. Aber dort kann das ja jeder. Also hat der Produzent erst einmal Palmen auf den palmenlosen Strand am Whitehaven Beach herschaffen lassen. So etwas scheitert natürlich erst einmal an der australischen Biosicherheitsbehörde. Aber mit Geld ist auch hier nichts unmöglich. So wurden also Palmen auf den Strand gepflanzt für die 3 Monate anhaltenden Dreharbeiten. Die Filmausrüstung wurde auf die Insel gebracht, die dann bei der ersten Flut gleich einmal weggeschwemmt wurde. Die kaputte Ausrüstung musste natürlich wieder aus dem Meer herausgetaucht werden. Bei der Insel handelt es sich schließlich um ein Naturschutzgebiet. Mit neuem Film-Equipment haben die eigentlichen Dreharbeiten zwei Wochen gedauert, währenddessen der gesamte Tourismusbetrieb ruhen musste. Daher wurde für den Film jedes Ausflugsboot für zwei Wochen ausgebucht und bezahlt, um zu verhindern, dass eines den Filmbetrieb stört. In Summe ein unglaublicher finanzieller Aufwand. Immerhin haben die Palmen, die nach den Dreharbeiten wieder entfernt werden mussten, in der Airlie Beach Lagune eine zweite dauerhafte Heimat gefunden. Die Filmszene, auf der dieser Strand kaum zu erkennen ist, dauert 10 Sekunden. Da wundern uns die Kinopreise nicht mehr. 

Der in der Nähe gelegene Schnorchelspot ist von den Korallen her nur mehr zur Hälfte intakt. Kein Wunder, werden doch hier täglich hunderte Touristen samt Insektenspray und Sonnenmilch zu Wasser gelassen und wieder herausgefischt. Da hilft es auch nichts, dass praktisch jeder einen dünnen langärmeligen Schwimmanzug zum Schutz gegen Quallen trägt. Prinzipiell sollte man sich nicht sorglos ins Wasser begeben, denn es gibt immer wieder tödliche Zwischenfälle durch das Quallengift. Die gefährlichen Tentakel können drei Meter ausgefahren werden und hinterlassen peitschenstriemenartige Verbrennungen.

Tauchen oder schnorcheln mit einem Tagesausflug scheint hier nicht lohnend zu sein, da durch die vielen ungeübten Schwimmer und Übungstauchgänge in Tagesausflugs-Distanz leider schon sehr viel ruiniert ist. Beim Geld hört auch hier der Naturschutz auf. Daher entscheiden wir uns für einen 3-tägigen Bootsausflug mit einem Tauchboot, das weiter rausfährt und hoffentlich nichts ruiniert. Start der Tour ist Cairns. Das ist noch einmal 600 km Richtung Norden. Dort ist die Riffkante des Great Barrier Riff nur zirka 40 Kilometer entfernt vom Land. Außerdem geben wir dort unseren Camper zurück.

Jetzt geht es aber erst mal noch weiter in den Norden zum Daintree-Forest, dem ältesten Regenwald der Welt. Die Strecke führt über den Bruce-Highway mehr oder weniger an der Küste entlang. Die meiste Zeit geht es schnurgerade dahin und man fährt zwischen Sträuchern. Daher machen Schilder darauf aufmerksam, dass man ausreichend Pausen einlegen soll, da auf solchen Straßen der Sekundenschlaf die größte Unfallursache darstellt. Plakativ steht ein zerstörtes Auto am Straßenrand mit der Bemerkung, dass darin der Fahrer eingeschlafen sei. Einige Rastplätze bieten zeitweise sogar von der Regierung gezahlten Kaffee an. Die Geschwindigkeit wird über Hubschrauber kontrolliert, die tückisch versteckt hinter den Bäumen schweben. Lokale neben dem Highway bieten ein eher trauriges Bild. Neben Lottoscheinen, Spielautomaten und Alkohol finden sich Falter von Selbsthilfegruppen für Süchte. In den Damentoiletten hängen Zettel, worauf erklärt wird, wie man das Thekenpersonal darauf aufmerksam macht, dass frau belästigt wird. Man fragt an der Theke nach einem bestimmten Namen, woraufhin das Personal hilft, unauffällig aus der Kneipe verschwinden zu können. Straßenschilder in schillernden Farben zeigen Auffahrunfälle, wünschen „Überleben“ während der Fahrt oder stellen einfache Quizfragen. 

Wir nehmen uns die Empfehlung zu Herzen und machen Pause in Townsville. Im örtlichen neuen Museum wird die Geschichte des alten Seglers „Pandora“ dargestellt. Die Pandora ist unweit von Townsville am Great Barrier Riff gestrandet und gesunken. Die Artefakte werden samt der gut überlieferten Geschichte im Museum ausgestellt. Die Pandora wurde aus England losgeschickt, um die Meuterer der Bounty der Gerichtsbarkeit in England auszuliefern. Mit doppelter Crew wurde sie ausgestattet, um auch die Bounty wieder nachhause segeln zu können. Man wusste ja damals nicht, dass sie von den Meuterern vor Pitcairn versenkt wurde, um ihre Spuren zu verwischen. Ein Teil der Meuterer wurde auf Tahiti verhaftet und in einem Käfig im Inneren des Schiffs in Ketten gelegt. Daher der Name Pandora. Nach erfolgloser Suche der restlichen Meuterer brach die Pandora auf, um sich im gefährlichen Korallenmeer den Weg nach Westen zu suchen. Bei der Aufnahme des Beibootes mit Kundschaftern driftete die Pandora auf ein Riff und sank. Bemerkenswert ist die Geschichte des Crewmitglieds der Bounty, das mit Kapitän Bligh nach der Meuterei bereits in einem kleinen Boot quer über den Pazifik von Tonga nach Indonesien unter den größten Entbehrungen segeln musste und nun zur Identifikation der Meuterer wieder von der gesunkenen Pandora aus mit einem kleinen Schiff nach Indonesien musste. Ein Teil der verhafteten Meuterer überlebte. Drei davon wurden in England zum Tode verurteilt, die anderen freigelassen.

In Kuranda machen wir Halt. Das nette Dorf steht mitten im Regenwald und ist erste Anlaufstelle für einen der schönsten Wasserfälle Queenslands – die Barron-Falls. Kuranda bietet eine tolle Allee aus riesigen Bäumen auf und die Ureinwohner verkaufen Didgeridoos und Bumerangs sowie Stoffkoalas. Man kann hier auch mit der Dschungel-Eisenbahn oder mit einer halbstündigen Seilbahnfahrt her gelangen. Wieder nutzen wir einige der schönen Wanderwege durch den tropischen Regenwald und genießen den Blick auf die von der Regensaison prall gefüllten Barron-Falls von einer Plattform aus. Abends sind im Dorf fast nur Einheimische unterwegs. Die Ureinwohner tummeln sich rauchend im einzigen offenen Lokal mit Bier rund um das klimatisierte Automatenkasino. Alle sind sehr höflich. Hier oben gibt es einen Campingplatz, der sich ebenfalls mitten im Urwald befindet. Aus unserer Sicht ist das durch die tolle Lage einer der schönsten Campingplätze, die wir auf unserer Australienreise besucht haben. 

Am Daintree Fluss, dem nördlichsten Punkt unserer Australientour halten wir, weil für die nächsten Tage Unwetter vorhergesagt werden. Die einzige Möglichkeit über den Fluss zu kommen, ist eine Fähre, die zu allem Überfluss noch die ganze nächste Woche gewartet wird. So sind wir uns nicht sicher, ob wir nach einer Flussüberquerung wieder zurückkommen können. Macht nichts, auch südlich des Flusses ist der gleiche Regenwald. Gut, dass durch den Schutz der UNESCO nicht noch mehr Wald dem allgegenwärtigen Zuckerrohr weichen musste. Eine kleines Ausflugsboot bringt uns zu den Brutplätzen der Salzwasserkrokodile im brackigen Fluss. Füttern ist strengstens verboten, damit die Krokodile Menschen nicht mit Futter assoziieren und keine Menschenjagd machen. Tatsächlich gibt es sehr wenige Zwischenfälle mit Salzwasserkrokodilen. Sie werden bis zu sieben Meter lang und sind damit die größten Crocs der Welt. Man kann sich leicht der Gefahr entziehen, wenn man einfach einige Meter vom Wasser wegbleibt. Daran halten sich nicht immer alle. Die Krokodile sind im Wasser völlig unsichtbar und wenn man sie entdeckt, ist es zu spät. Die Beute wird ins Wasser gezerrt und ertränkt. Danach am Ufer deponiert und sobald der Verwesungszustand es zulässt, in maulgerechten Häppchen verzehrt. Deshalb riecht es am Ufer überall nach Verwesung. Im Zusammenhang mit dem schlammbraunen Wasser und den Mangroven ein gruseliger Schauplatz. Der Guide erklärt, dass jährlich mehr Menschen von Kokosnüssen erschlagen als von Krokodilen getötet werden. Man sollte trotzdem nur mit einem Boot fahren, das größer als das größte Krokodil in der Umgebung ist. Das Chefkrokodil im Daintreefluss ist ausgewachsen und daher sieben Meter lang. Unser Boot ist unwesentlich länger. Im Zweifelsfall wird der Hund geopfert. Den süßen kleinen Wauwau auf unserem Boot würden wir nur ungern über Bord schmeißen. Tatsächlich sehen wir am Ufer einige Babykrokodile unbeweglich dösen. Auch die regungslose Mama mit fast vier Metern beäugen wir am Ufer. Krokodile wissen, was um sie herum vorgeht, auch wenn sie schlafen. Sie können eine Gehirnhälfte zum Regenerieren abschalten und ein Auge ist halboffen als wir uns mit dem Boot nähern. Sie sind an Ausflugsboote gewöhnt und verschwinden deshalb nicht gleich in der schlammigen Brühe, wenn man sich mit dem Boot nähert.

Im Örtchen Daintree wollen wir übernachten und setzen uns in das örtliche Pub. Ganz in der Nähe trifft der tropische Regenwald auf das Great Barrier Riff. Es gibt nur wenige Orte mit derartigen „Treffpunkten“ auf der Welt. Plötzlich beginnt es wie aus Kübeln zu schütten. Wir denken uns: „Regenwald halt.“ Ein älterer Herr rät uns aber, nach dem Verzehr von ausgezeichneten „Fish and Chips“ schnell das Weite zu suchen, sonst kann es sein, dass wir aufgrund der angesagten Überflutungen mehrere Tage nicht mehr aus Daintree wegkommen. Wäre nicht so schlimm, aber nachdem wir unseren Tauchausflug nicht versäumen wollen, wäre es töricht, nicht auf die Warnung des Einheimischen zu hören. Also folgen wir dem Rat und begeben uns bei unaufhörlich strömendem Regen nach Port Douglas an die Küste. Wir wissen jetzt auch, wie man im Internet die Wetterwarnungen und Flutkameras von Queensland aufruft. 

Leider leckt das Seitenfenster unseres Campers und wir nehmen uns ein trockenes Zimmer mit Klimaanlage. Bei dieser feuchten Hitze ist eine Nacht mit klimatisierter Luft eine erholsame Wohltat. In Port Douglas steht das zweitälteste Gebäude von Queensland – das „Courthouse“. Außerdem gibt es jede Menge Shops, Lokale und einen großen Markt. Alles ist voller Touristen, ob Regen oder nicht. Irgendwie scheint die Camper-Reise uns etwas mitzunehmen, denn am nächsten Nachmittag schlummern wir schon wieder selig ohne das Gefühl zu haben beim anhaltenden Regen etwas zu versäumen. 

2 Kommentare

    • Ja Andreas. Schwere Arbeit sieht anders aus, auch wenn wir trotzdem jeden Tag geschafft sind. 😂 Die Arbeit kommt dann ab 21. März wenn wir Infinity fit machen für die nächste Strecke. LG

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