Rangiroa – ein Atoll mit vielen Gesichtern

Wieder benötigen wir für den Weg von Apataki nach Rangiroa eine Nachtfahrt. Bei der Ausfahrt aus Apataki stellen wir fest, dass kaum jemand hinausfährt, da gerade kaum Wind weht. Wir fahren durch und beschließen, uns eben außerhalb des Atolls treiben zu lassen um schon in Startposition zu sein, sobald der vorhergesagte Wind einsetzt. Zeit haben wir genug. 

Gemütlich kommen wir zur richtigen Zeit am Tiputa-Pass in Rangiroa an. Es empfängt uns mit 4G-Netz und wir erhalten wieder Nachrichten. Eigentlich sollte jetzt kaum Strömung im Pass sein, stimmt aber nicht, es kommen uns noch bis zu 3 Knoten entgegen. Später erfahren wir, dass es in den nächsten Tagen kein einlaufendes Wasser gibt, da Wetter und Mond für ständigen Strom raus aus dem Atoll sorgen. 

Hier ankern viele Yachten. Am Ankerplatz sind wir gleich daheim. Die Swiss Lady ankert hier genauso wie die Eden von Tobias, der jetzt mit seiner Frau Petra und den Kindern unterwegs sind. Da wir die Eden seit Nuku Hiva vor mehr als zwei Monaten das letzte Mal gesehen haben, gibt es natürlich viel zu erzählen. Am nächsten Tag stößt Hermann mit seiner Crew dazu. Eine Outremer, die JAMS, mit einem deutschen Eignerpaar liegt auch hier, sodass eine größere deutschsprachige Gruppe vor Ort ist und mal wieder fröhlich in Muttersprache getratscht wird. 

Rangiroa ist das größte und touristischste Atoll in den Tuamotus. Daher gibt es auch ein paar offene Lokale und Lebensmittelläden, einen frequentierten Flugplatz, und ein kleines Kreuzfahrtschiff – die Paul Gauguin – schaut hier ebenfalls vorbei. Allerdings geht es auch in Rangiroa verhältnismäßig gemächlich zu. Ein Luxus-Resort liegt uns gegenüber am Strand mit wunderschöner Terrasse. Gut, dass wir die 400 Euro pro Nacht im Doppelzimmer für unser Schiff nicht berappen müssen.

Auf unserem Motu, sprich Insel am Atoll, gibt es einen Flughafen und am anderen Ende ein kleines Dorf mit Post. Eigentlich möchten wir die Insel mit dem Fahrrad erkunden. Leider können wir keines bekommen. Entweder sind sie vergeben oder man kann den Verleih nicht erreichen. Daher fragen wir im Lebensmittelladen nach einem Taxi. Siehe da, es kommt tatsächlich eine Art Taxi, dass uns für 10 Dollar in die Stadt fährt. Ein Fahrrad kostet 20 pro Person. Auf dem Weg zeigt uns die Fahrerin eine Perlenfarm, in der man auch einen Einblick in die Produktion bekommt. Diese nehmen wir uns für den Rückweg vor. Vor der Post steigen wir aus. Hier sieht es noch so richtig nach Postamt aus. Eine Mitarbeiterin arbeitet, und die Kunden warten. Immerhin braucht man keine Maske mehr und die Anzahl der Kunden ist nicht begrenzt, sodass wir im klimatisierten Raum mit 21°C darauf warten können, an die Reihe zu kommen. Wir sind jetzt knapp 3 Monate in Französisch-Polynesien und damit läuft die Touristen-Simkarte ab und wir brauchen eine neue. Die neue Karte ist viel billiger und nicht extra für Touristen. Das erfährt anfangs natürlich nicht. Wenn man die Karten im Internet auflädt, ist das Datenpaket noch einmal viel günstiger. Die zugehörige App funktioniert leider nicht. Die Dame von der Post kennt sich natürlich nicht aus und wir laden mit der teureren Rubbelkarte auf.

Im Ort versuchen wir wieder einmal Gasadapter und Kartuschen zu bekommen, wie immer ohne Erfolg. Dafür finden wir am Hafen ein paar Fischer, die Barsche gefangen haben, ein wirklich guter Speisefisch, der nicht anfällig für Ciguatera ist. Die Bitte, den Fisch für uns auszunehmen, wird abgelehnt, sie haben angeblich kein Messer. Mit einer Kühltasche und viel Eis vom Fischer tragen wir den Fisch und veranstalten die Sauerei eben am Schiff.

Auf dem Weg zur Perlenfarm kommen wir an einem Weingut vorbei. Wenn schon sonst kein Obst auf den Tuamotus zu kriegen ist, für ein Tröpfchen Rotwein wird tatsächlich ein Teil der Insel kultiviert. Verkosten kann man ihn erst bei Sonnenuntergang. Das ist uns zu spät, so gut wird dann auch wieder nicht sein. 

Die Perlenfarm hat natürlich auch gleich ein Geschäft dabei. Wir beschränken uns auf die Erklärungen des Farmers. Sehr interessant und lehrreich. Man bekommt einen Einblick, wie Zuchtperlen entstehen. Als Kern wird Perlmutt von einer Muschel aus dem Mississippi verwendet, heutzutage wird dieser gleich mit einem Antibiotikum versehen, wodurch sich die Ausbeute von 20 auf 45 Prozent Muscheln mit Perlen steigert. Die Muschel, die verwendet wird, kommt ab einer bestimmten Größe zur Perlenproduktion. Sonst könnte man nur ganz kleine Perlen züchten und das ist nicht lukrativ genug. Somit wird zuerst ein kugelförmiger Kern der Mississippi-Muschel von 6 mm Durchmesser eingesetzt, der nach knapp 2 Jahren mit einem Durchmesser von ungefähr 8 mm mit dem dunklen, hier typischen Perlmutt überzogen ist. Ist die Muschel nach der Ernte entsprechend gewachsen, wird ein größerer Kern eingelegt, damit man größere Perlen produzieren kann. Die Muscheln haben eine Art Organ, wohin der Kern eingesetzt wird. Dann wird noch ein kleines Stückchen von einem perlmuttproduzieren Teil einer anderen Muschel dazugegeben und auf zirka 10 Meter Tiefe in einem Käfig zum Schutz vor natürlichen Feinden ins Wasser gegeben. Alle 3 Monate werden die Käfige herausgeholt und die Muscheln mit Hochdruckreiniger gereinigt. Dem Bestücken der Muscheln können wir zuschauen. Mit einer Zange werden die Muscheln ein Stück auseinandergespreizt, dann mit Zahnarztbesteck geöffnet, begutachtet und bestückt. Um dies machen zu dürfen, muss man eine dreijährige Ausbildung absolvieren. Danach ist man im Regelfall so geschickt, dass man pro Tag 400 Muscheln bestücken kann. Alles in allem eine aufwändige Produktion.


Kurzvideo: Delfine in Rangiroa

Ein eigenes Highlight ist natürlich einmal mehr die Unterwasserwelt. Martin lässt es sich nicht nehmen, zwei Tauchgänge mit Guide zu machen, da man sonst nicht an die richtigen Plätze kommt. Vor und am Pass leben nämlich einige große Delfine, die neugierig und verspielt sind. Sie kommen zu den Tauchern um sich streicheln zu lassen. Am Riff kann man schon an vielen Stellen die Korallenbleiche feststellen. Dies bedeutet, dass die Korallen sterben. Sie wachsen 1,5 Zentimeter pro Jahr und geben den Rifffischen ein Zuhause. Sie binden CO2 und in einigen Jahren werden sie alle tot sein. Mit ihnen sterben die Rifffische, Muscheln, Tiere, die sich von den Rifffischen ernähren, und damit auch die großen Meeresfische. Die Ernährung vieler Menschen ist damit auch bedroht. Ein Tauchguide, der seit Jahren hier lebt und taucht, kann dem Korallensterben hautnah zuschauen und glaubt, dass es hier in zehn Jahren keine Korallen und Fische mehr geben wird. Hier zeigen sich die Folgen der Erderwärmung, da Korallen sehr hitzeempfindlich sind und die Erwärmung des Wassers um wenige Grad bereits das Sterben auslösen. Das ist kein hiesiges Phänomen sondern wird weltweit beobachtet. Innerhalb einer Lebensspanne eines Menschen werden die meisten Korallen, die seit Jahrmillionen gewachsen sind, sterben. Gleichzeitig wird das Klima durch den Verlust der Korallen negativ beeinflusst. Ein mittlerweile unumkehrbares Trauerspiel. Wer sich für das Thema interessiert: der Film „Chasing Coral“ auf Netflix deckt das Thema gut ab.

Wir verlegen uns wieder einmal zu einem einsamen Ankerplatz mit Traumstrand und grillen am Nachmittag. Sobald die Dämmerung einsetzt wird man nämlich von den Mücken gefressen. Um den Ankerplatz kreist ein Mantarochen. Die Idylle ist perfekt. Inzwischen reift in uns die Entscheidung, für die Zyklonsaison nach Neuseeland zu fahren. Wieder einmal ein wenig Zivilisation kann nicht schaden. Der Weg führt über die Cook Islands und Tonga, wobei Tonga wegen Covid noch geschlossen ist. Bis Neuseeland sind es von hier aus noch 2.400 Seemeilen. Das ist so viel wie eine Atlantiküberquerung. Ja, der Pazifik ist schon groß. Martin füllt 28 Seiten Einreiseformulare für die Cook Islands aus, um schon mal die Einreisegenehmigung vorab zu erhalten. Auch die Wunschmarina in Whangarei in Neuseeland haben wir bereits angeschrieben und die Zusage erhalten. Ein wenig Planungssicherheit für das nächste halbe Jahr tut gut. Die Weitervermietung unseres Hauses ist auch auf Schiene. Was man mit ein paar Tagen Internet alles erledigen kann.

Jetzt ist es Zeit, uns nach Tikehau aufzumachen. Es ist das nächste Atoll Richtung Nordwesten. Dort soll es eine Mantarochen-Putzerstation geben. Genau da wollen wir hin. Die Passausfahrt aus Rangiroa ist wegen der hohen Wellen mehr als ruppig und einiges in der Küche beginnt zu fliegen. Gottseidank ist nichts zu Bruch gegangen. Mit Gennaker vor dem Wind zu segeln ist wieder einmal ein herrliches Gefühl. Wurde auch Zeit, dass er wieder ausgelüftet wird.

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