Den Sturm am Ankerplatz haben wir gut überstanden. Der Wind fiel diesmal ausnahmsweise etwas schwächer aus wie angekündigt und unsere beiden Anker hielten so gut, dass das Aufnehmen einige Mühe verursacht hat. Die Wartezeit bis zum richtigen Wetterfenster vertreiben wir uns mit Landausflügen. Über Turo mieten wir ein Auto, dass in der Nacht in die Nähe des Ankerplatzes geliefert wird. Es ist anscheinend in der Gegend so sicher und das Auto so alt, dass der Eigentümer es nicht abschließt und den Schlüssel ins Handschuhfach legt. Die Sonne kommt raus und wir können wieder den Charme von Beaufort genießen. Vom Letztaufenthalt kennen wir die Infrastruktur schon ein wenig, sodass wir gleich einmal den großen West Marine Shop besuchen. Schließlich gilt es nach 260 Seemeilen die kaputtgegangenen Teile zu ersetzen, oder es zumindest zu versuchen. Der Sensor mit Logge und Wassertemperaturmessung hat uns versichert, dass das Wasser konstant 40 Grad Celsius hat. Dies passt nicht so ganz mit unserem persönlichen Empfinden zusammen. Der Sensor ist sogar noch so neu, dass darauf Garantie besteht. Nur kriegen muss man das Teil natürlich erst einmal. Bei unserem ersten Ankermanöver haben wir auch festgestellt, dass der Sensor für den Kettenzähler unserer Ankerwinsch nicht mehr funktioniert. Irgendwie hat das Dasein auf dem Trockenen nicht nur uns nicht gefallen, der Sensor scheint sogar in Ermangelung Salzwassers Suizid begangen zu haben. Im Steuerbord-WC ist eine Dichtung nicht mehr ganz dicht, sodass Martin sie flott austauscht. Dafür haben wir ja schließlich ein Ersatzset mitgenommen. Jetzt brauchen wir neue Ersatzdichtungen. Die kann man bei West Marine bestellen und auch rechtzeitig bekommen, alle anderen Teile leider nicht. Der Wert einer solchen Dichtung wird hier in Gold aufgewogen. Rechnet man den Preis der beiden Dichtungen mal fünf bekommt gleich eine ganze Toilette dafür.





















Sightseeing steht an. Schließlich befinden wir uns in Beaufort in der Heimat von Blackbeard. Ins Museum gehen wir noch einmal rein, weil es so schön war, das Pub „Queen Anne´s Revenge“, benannt nach Blackbeards Schiff, besuchen wir natürlich auch. Danach geht es in die „erste Stadt“ von North Carolina mit derzeit 250 Einwohnern – Bath – das recht hübsch anzusehen ist. Hier wurde Blackbeard vor seinem Piraterie-Rückfall begnadigt. Ein Spaziergang durch den Ort und das Museum sind nett.
Da New Bern, natürlich von Schweizern gegründet, sehr schön sein soll, steht diese Stadt ebenfalls auf unserer Liste. Eine der „Sehenswürdigkeiten“ hier ist die Geburtsstätte von Pepsi Cola. Früher war es eine Apotheke in der das Rezept dafür erstellt wurde. Nun ist im Haus ein interessanter Pepsi-Shop untergebracht. Der Governor Palace hat einen wunderschönen Garten, Besichtigungen innen finden derzeit nicht statt.
Zurück in Beaufort besuchen wir das Backstreet Pub. Ein interessantes und uriges Plätzchen, ziemlich rustikal mit offenem Kamin. Bier gibt es in Hülle und Fülle und noch dazu recht preiswert. Das Lokal ist gleichzeitig das Bierlager, so dass man volle Bierkartons und – kästen als Sitze oder Fußablagen verwendet. Sobald man ins Lokal kommt riecht man das verschüttete Bier auf dem Boden und man kommt sich vor wie in einer Brauerei. Das Publikum besteht überwiegend aus Seglern und anderen entspannten Menschen. Es ist winzig und besteht aus zwei Stockwerken. Oben gibt es ab und zu Livemusik mit Open Microphone. Jeder der will darf hier singen und spielen. Es sind viele erstaunlich gute Musiker aller Musikrichtungen hier, die einige Lieder zum Besten geben.
Zum Thema Musik sei noch angefügt: Toll sind in den USA die vielen verschiedenen Radiosender. Da ist für wirklich jeden etwas dabei. Du willst Rock aus den 80ern hören? Dafür gibt es einen Sender. Genauso wie für Gospel, Reggae, Pop, Folk, und so weiter und so fort. Am vorletzten Abend vor Anker in Beaufort können wir noch den Start der Rakete mitansehen, der 4 Astronauten auf die Raumstation ISS schießt. Das schaut nicht ganz so eindrucksvoll aus wie die Raketenstarts in Cape Canaveral, dafür fliegt die Rakete dieses Mal mit menschlicher Besatzung. Einmal gewunken und weg waren sie.























Jetzt ist es so weit. Nach einigem Hin und Her mit dem ortskundigen Wetterfrosch Chris Parker setzen wir unsere Abfahrt Richtung Bahamas für Freitag Mittag fest. Der Golfstrom will bei günstigen Winden überquert werden und das Timing muss passen. Alles wird vorbereitet, Leinen und Fender für die Tankstelle ausgerichtet sowie den Zweitanker von der Kette des Hauptankers gelöst, der sich durch die Ankerboje damit verheddert hat. Mitzi kriegt wieder ihre Persenning und wird festgezurrt. Wir starten pünktlich los. Dann passiert alles ganz schnell. Martin schaltet kurz vor der Ankunft an der Tankstelle den Autopiloten aus, wobei plötzlich der Steuerbordpropeller nicht mehr antreibt und unser Schiff sofort rechts abbiegt. In dem Moment dachten wir, wir hätten einen Propeller verloren. Der Auslöser dafür ist aber – wie Martin später herausfindet – ein von Werft aus zu kurz eingestellter Bowdenzug am Steuerbord-Gashebel. Bisher war das nicht merkbar aber nach der jährlichen Wartung werden auch die Bowdenzüge geschmiert und seitdem sind sie leichtgängiger und einer springt ohne Zutun zurück. Gleichzeitig weht uns eine Bö Richtung Marina und die starke Strömung an dieser Stelle tut ihr Übriges dazu. Martin sagt nur: „Wir haben ein Problem“ und verhindert blitzschnell, dass wir frontal in eine geparkte Motoryacht krachen. Das in Gestalt eines anderen am Steg liegenden Holzbootes seitlich von uns auftauchende Problem nähert sich nach dem Bremsmanöver gefährlich. Es gibt kein vergleichbar unschönes Geräusch wie splitterndes GFK. Bisher wurden wir damit verschont und unser Rumpf hatte kein Kratzerchen abbekommen. Dieses Mal lässt es sich leider nicht vermeiden, nachdem sich Technik, Wind und Strom gegen uns verbündet haben. Wir kommen zwar zum Stehen aber ein Ausweichen unter Rückwärtsfahrt ist gegen Wind und Strom nicht mehr möglich. Der aufgeholte Anker des großen australischen Holzbootes streift trotz aller sofort eingeleiteten Maßnahmen unseren Rumpf seitlich. Daher bleiben wir erst mal stehen und fendern unser Schiff mit allem was wir haben gegen das Holzschiff ab und warten auf den Wechsel des Tidenstroms damit wir wieder loskommen. In der Zwischenzeit kann Martin die Versicherungspapiere ausfüllen und mit dem Skipper des anderen Schiffes die weitere Vorgehensweise besprechen. Unser Schiff weist neben einem tiefen Cut weit über der Wasserlinie einige kleinere Kratzer auf. Das Holzschiff hat außer ein paar kleinen Kratzern von unserer Reling nichts abbekommen. Die amerikanische Überstellungscrew des australischen Holzbootes ist dementsprechend entspannt und tröstet uns sogar damit. Gute helfende Geister am Steg werden von uns zum Dank mit flaschenweise Wein versorgt. Von einer anderen Crew werden wir besonders bemitleidet, denn ihnen ist das gleiche am Vortag passiert.
Wir lassen uns von solchen Kleinigkeiten nicht unterkriegen. Der tiefe Kratzer kriegt ein Pflaster aus Panzerband und Infinity noch Diesel. Wir hinken der Zeit zwar etwas hinterher, allerdings wollen wir das verbleibende Wetterfenster nutzen, so dass wir so rasch wie möglich Richtung Bahamas ablegen.








Die Logge muss neu kalibriert werden, denn das Schaufelrädchen, das die Geschwindigkeit durch das Wasser misst, ist nach unserer jährlichen Wartung so gut geschmiert, dass es viel zu schnell läuft. “Wer gut schmiert, der fährt gut”, sagt man. Kann man eigentlich zu viel Wartung betreiben? Das Radar haben wir bei der Wartung nicht angefasst und trotzdem: Die erste Nacht kommt und unser Radar, das sich über WLAN mit dem Plotter verbindet, ist elektronisch nicht mehr auffindbar. Martin nimmt in seiner Wache alles außer der Antenne am Mast auseinander und baut es wieder zusammen. Nichts ändert sich. Unser Raymarine-Experte Ober aus Vorarlberg, den wir wirklich empfehlen, gibt uns aus der Ferne per Email auf das Satellitentelefon Ratschläge. Wahrscheinlich ist Wasser im Gehäuse der Radarantenne, das nicht schnell genug ablaufen kann. Was es alles gibt! Nach gefühlten 1000 mal Hochfahren der Radarantenne funktioniert es plötzlich wieder. Bei nächster Gelegenheit werden wir die Wasserabläufe des Radargehäuses überprüfen.
Unsere Motoren werden von Martin noch einmal genauestens geprüft, wobei er durch Zufall den Fehler des von selbst sporadisch zurückspringenden Gashebels am rechten Motor entdeckt und durch die Verlängerung der Einstellung des Bowdenzugs repariert. Nachdem niemand bisher etwas daran gemacht hat, muss dieser wohl von Werft aus schon zu kurz eingestellt gewesen aber durch mangelnde Schmierung nie aufgefallen sein.
Wie so oft kommt der Wind nicht so wie angesagt. Dabei laden wir zweimal am Tag das Wetter über das Satellitentelefon. Wie immer übertreibt die Vorhersage bei leichten Winden und untertreibt bei starken. Immerhin stimmen die Temperaturen. Ab dem Golfstrom fällt auch nachts die Temperatur nicht mehr unter 20 Grad, ein Traum nach all den kühlen Nächten. Nach anfänglich leichten Winden sind wir langsamer als erwartet. Den Motor schalten wir trotzdem nicht ein – wir betreiben schließlich ein Segelboot. Eine Ankunft bei Tageslicht in Marsh Harbour auf Great Abaco wird immer unwahrscheinlicher. Die Wellen sind dieses Mal äußerst unangenehm. Sie kommen unberechenbar von allen Seiten und wir werden um einige blaue Flecken reicher.
Martin bemüht sich in seiner Schicht meistens, mit verschiedenen Segeln und exaktem Trimm das Schiff so schnell wie möglich zu machen. Als der Wind dann endlich zunimmt, versuchen wir noch alles, um vor Sonnenuntergang anzukommen aber keine Chance. So nehmen wir uns nochmal das das Buch „Sturmtaktik“ vor. Dort wird das Beiliegen über mehrere hundert Seiten beschrieben. Dabei soll das Schiff mit bestimmter Besegelung seitlich langsam driften und keine Fahrt machen. Im Segelkurs ist das Thema Beiliegen meist bloß ein Satz im Skriptum, der aber für kaum ein Boot stimmt weil jedes individuell reagiert. Wir versuchen unser Glück mit Beiliegen und wollen damit ohne Fahrt die Zeit bis zum Sonnenaufgang einigermaßen ruhig überbrücken. Wir haben immer wieder gelesen, dass das bei Katamaranen schwieriger sein soll aber zum Teil funktioniert. Nachdem wir zehn Stunden Zeit zum Üben haben probieren wir es einfach aus. Wir schaffen nach Veränderung aller möglichen Variablen zwar, dass das Schiff nur mit 1,5 Knoten Geschwindigkeit bei 17 bis 24 Knoten Wind stabil ohne Zutun vorwärts fährt, aber leider nicht das erwünschte seitliche Driften ohne Vorwärtsbewegung. Bei uns funktioniert das Nahezu-Beiliegen ohne Vorsegel, Hauptsegel im zweiten Reff, Traveller in der Mitte, Großschotführung eng. Damit schaffen wir 60 Grad am Wind aber nicht die gewünschten 45. Die Lösung wäre wahrscheinlich ein hinten an der Dirk gesetztes Segel, damit der Segeldruckpunkt weiter nach hinten wandert und sich der Bug noch mehr in Richtung Wind dreht und die Fahrt weiter verlangsamt wird. Ein voll gesetztes Groß möchten wir bei stärkerem Wind auf einem Katamaran nicht. Auf einem Einrumpfer würde das bei gleicher Problemstellung wahrscheinlich funktionieren und so ein Kielboot duckt sich bei mehr Wind einfach seitlich durch mehr Lage weg, was bei einem Katamaran nicht funktioniert. Dort wird die Kraft des Windes direkt in das Rigg geleitet – wegducken geht nicht.








Nach Marsh Harbour hineinfahren sollte man bei Nordostwind eigentlich mit Flut, weil die Cuts in die Lagunen eng sind und bei Wind gegen Strom brechende Wellen in der Einfahrt entstehen. Allerdings ist es bei der nächsten Flut unserer Ankunft noch nicht hell genug. Und die Einfahrten sind weder betonnt noch beleuchtet, was ein Einlaufen bei Nacht gefährlich macht. So starten wir mit Hochwasser sofort bei Sonnenaufgang und schaffen es problemlos zum Ankerplatz. Wir sind glücklich, wieder in der Karibik angekommen zu sein. Jetzt heißt es nach vier Tagen und fünf Nächten segeln erst einmal eine Runde Schlaf nachholen.
Gott sei Dank kein gröberer Schaden, erholt euch gut
LG Andreas
Da hast du recht. Dankeschön. LG