Spanish Virgin Islands und Puerto Rico

Von den amerikanischen Jungferninseln kommen wir auf die spanischen, die Puerto Rico zugeordnet sind. Sofort kommt es uns spanisch vor. Die Autos fahren wieder rechts, die Musik ist lateinamerikanisch, alles wird relaxter und alle sprechen spanisch. Das ist für US-Territorium, dem auch Puerto Rico zugehörig ist, eher unüblich. Allerdings sind die Rechte der Puerto-Ricaner eingeschränkt. Zum Beispiel dürfen sie nicht den amerikanischen Präsidenten wählen.  

Wir segeln nach Culebra und lassen in der Ensenada Honda den Anker fallen. Dann heißt es Beeilung, damit wir heute noch einklarieren können. Dabei stellen wir fest, dass die intakten Dinghi-Stege alle privat sind, die anderen wurden von Hurrikans verwüstet. Also machen wir fest und gehen zum Flughafen, wo der Zolloffizier stationiert ist. Der ist aber nicht da, weshalb wir fast 2 Stunden in der „Abflughalle“ warten. Der Flughafen ist eher eine Flugtaxi-Station. Von hier aus wird innerhalb von Puerto Rico gereist. Ein Mann kommt mit mehreren Säcken voller lebendiger Hühner aus einem Flieger der Marke „Seelenverkäufer“. Wir erfahren, dass es nur einen Beamten für die gesamte Insel gibt. Der kommt endlich mit Verspätung und Entschuldigung daher. Nachdem alle Formulare bereits vorausgefüllt auf dem Tisch liegen, müssen noch einmal Formulare ausgefüllt und alle Papiere kontrolliert werden.

Neue Insel bedeutet natürlich neues Entdecken, Spazieren und Kulinarik testen. In der Hauptstadt Dewey irren einige Touristen herum auf der Suche nach einem offenen Restaurant. Fehlanzeige. Alles ist zu, Take-away-Restaurants gibt es einige, wobei die meisten kurz vor Ladenschluss stehen und nichts mehr ausgeben. Martin besorgt von der abenteuerlichen Tankstelle Bier und Kerstin holt eine Pizza. Verzehrt wird das Ganze an einem Tisch eines zugesperrten Lokals. Wunderbar, aber ganz schön verrückt. Noch dazu ist „Springbreak“, sprich Ferien in den USA und die Insel gut gebucht, sodass kein Leihwagen zu akzeptablen Preisen zu kriegen ist. Also machen wir einen virtuellen Rundblick über die Insel und beschließen, dass es auch woanders schöne Strände gibt. Zufälligerweise kommen einen Tag nach uns Annemarie und Volker mit ihrer Segelyacht Escape an und ankern neben uns. Wir kennen uns bisher nur aus der Ferne durch Mails und Blogs, jetzt plaudern wir nett bei einem Glas Bier und tauschen unsere Erfahrungen aus. Sie sind die Schleife über die USA im vergangenen Jahr gesegelt.

Culebra haken wir rasch ab und segeln zur Nachbarinsel Culebrita. Dort ist im Nordwesten ein kleiner Ankerplatz in der Tortuga Bay eingezeichnet. An diesem Tag leider unmöglich. Hier stehen in der flachen Einfahrt brechende Wellen über die ganze Breite. So kehren wir um und nehmen lieber den geschützten Platz auf der Südostseite. Hier kann man mit dem Dinghi am Strand anlanden. Einsiedlerkrebse, Ziegen und das ein oder andere Nagetier fristen hier ein ruhiges Dasein mit Unterstand in einem verlassenen Leuchtturm. Die Menschen, die herkommen, bleiben meist am Strand und fahren vor Einbruch der Dunkelheit wieder. Endlich wieder ein schöner Platz für uns alleine. Leider haben wir einen straffen Zeitplan um der Hurrikansaison Richtung USA zu entfliehen.

Daher machen wir uns gleich nach Vieques auf, einer kleinen Insel auf dem Weg Richtung Südküste von Puerto Rico. Das amerikanische Militär hat die Insel im östlichen Bereich als Übungsgelände auserkoren, womit dieser Teil als Ankerplatz ausfällt. Auf den Seekarten wird vor nicht explodierten Artilleriegranaten gewarnt. Sicherlich auch einer der Gründe, warum sich die Insulaner nicht ganz amerikanisch fühlen. Viele sprechen hier nicht einmal englisch. Wir nehmen die erste mögliche Bucht, riesig, flach, mit Mangroven gesäumt und wir sind hier die einzige Yacht und verbringen eine sehr ruhige Nacht. Nach diesem Luxus segeln wir hinüber nach Puerto Rico nach Patillas. Dort liegen wir ausgezeichnet. Allerdings summt und brummt die ganze Insel den ganzen Sonntag. Autos haben ihre Rücksitze ausgebaut und stattdessen Lautsprecher eingebaut, die bis unters Dach gehen und mit ohrenbetäubendem Lärm die Straßen rauf und runter fahren. Dazu gibt es einen Polizeikonvoi auf Motorrädern, zumeist Harley-Davidsons. Natürlich geht das Ganze nicht ohne Blaulicht und Folgetonhorn. Dann haben viele ihre Autos und Motorräder mit einigermaßen kontrollierten Fehlzündungen ausgestattet, die wie Schüsse klingen. Am Abend machen wir uns zu Fuß zu einem der „weltbesten und schönsten“ Orte auf, wo man angeblich die schönsten, größten und erstaunlichsten biolumineszendierendsten Lebewesen sieht. Ja, die Amerikaner lieben Superlative. Wir rühren in dem Wasser und finden das tollste stockfinsterste Wasser mit weltbestem Schlamm. Naja, für uns geht es weiter nach Salinas. Dort finden wir einen schönen Ankerplatz zwischen Mangroven. Im Inneren gibt es eine kleine aber feine Marina. Das Navigieren zu den Ankerplätzen wird immer komplexer. Überall finden sich vorgelagerte nicht gekennzeichnete Riffs, zum Teil kaum zu sehen. Segeln mit Adrenalinfaktor und polarisierenden Sonnenbrillen.

Nun müssen wir uns wieder einmal ums Internet kümmern. Dieses Mal haben wir Glück. Wir ergattern zwei SIM-Karten von Claro, sogar ziemlich günstig. Die Preise hier sind allgemein wieder etwas niedriger als auf den US Virgin Islands, die Portionen der Mahlzeiten größer und die Menschen sogar noch dicker. Es gibt allerdings auch nicht wirklich fettarme Kost, fast alles ist frittiert. Ein Puerto-Ricaner erklärt uns, dass die Einheimischen „nicht an gesundes Essen glauben“. Er mag die drei „B“: Beer, Bars and Babes. Selbstverständlich tätschelt er liebevoll seinen Bauch.

Isabel und Peter, die in San Juan gelandet sind, holen uns mit einem Mietwagen ab. Somit erkunden wir die Insel und schauen uns Ponce und einige Aussichtspunkte an. Isabel ist die Begeisterung richtig anzumerken. Endlich kann sie wieder in ihrer Muttersprache spanisch plaudern. Zum Abschied werden wir alle wehmütig. Isabel fliegt nach Deutschland zurück, da sie dort ein paar wichtige Termine hat. Somit muss Peter zirka 2 Wochen alleine segeln. Mit ihm wollen wir uns im Westen der Insel treffen, um ein Stück gemeinsam zu segeln, wenn es Richtung Bahamas geht.

Auf dem Weg dorthin kommen wir nun mit dem Schiff gerade an der Hafeneinfahrt von Ponce vorbei. Genau in diesem Moment reißt wieder das Schothorn unseres Großsegels ab. Das Segel war noch nicht ganz eingerollt, wurde schon der ortsansässige Segelmacher per Telefon kontaktiert. Martin schickt Fotos und wir vereinbaren noch für den gleichen Tag, das Segel zur Reparatur zu übergeben. Gut, dass das genau hier passiert ist und nicht an einem abgelegenen Ort. Wir ankern in der Bucht der privaten Marina. Die Leute sind freundlich, der Mitarbeiter des Segelmachers holt das Segel pünktlich ab und verspricht für den nächsten Vormittag die fertige Reparatur. Beim Eingang der Marina fragen wir, wann das Tor schließt und wir wieder zurück sein müssen. Ein Autofahrer, der das Gespräch mitbekommen hat, fragt uns, ob er uns mit in die Stadt nehmen soll. Wir lehnen dankend ab und er fragt weiter, wo wir herkommen. Als er hört, dass wir aus Österreich kommen, beginnt er zu strahlen und sagt, dass er in „Vienna Ginzling“ – soll wohl heißen Wien Grinzing – so betrunken war wie nie zuvor und auch nicht danach. Viele Menschen sind hier freundlich und aufgeschlossen, zumindest jene, die wir in der Freizeit antreffen. Die meist jungen Kellnerinnen bekommen aber einen Gesichtsausdruck als hätten sie Verstopfung sobald ein Gast etwas bestellen möchte. In einer Pizzeria stehen 7 junge Puerto-Ricanerinnen herum und eine amerikanische Pensionistin läuft und arbeitet. Wir fragen sie, warum die anderen nicht arbeiten, worauf sie antwortet, dass diese nur dann arbeiten, wenn sie Lust dazu haben. Dem Chef sei es egal. Das reparierte Großsegel kommt wie versprochen am nächsten Vormittag zurück. Wir ziehen es vor Anker bei 20 Knoten Wind auf. Ein Rollgroß kann leider nur ausgerollt in die Mastnut eingefädelt werden. Wir haben alle Mühe, dass sich das Schothorn nicht selbstständig macht und uns nicht Brillen, Augen und Zähne ausschlägt. Vor Anker geht das besser als in einer Marina, da sich das Schiff automatisch immer an der Ankerkette in den Wind ausrichtet und somit das Segel nach hinten auswehen kann. Nachdem das Segel wieder in seine gewohnte Arbeitsumgebung übersiedelt wurde, zieht es uns bei gutem Wind gleich wieder hinaus aufs Meer.

Einen Stopp möchten wir hier an der Südküste auf jeden Fall machen. Vor La Parguera bis nach Ponce liegt ein großes vorgelagertes Riff, ein Traum für jeden Taucher. Wir ankern relativ weit draußen vor La Parguera und damit in Riffnähe. Das Wasser ist trüb, man kann die Ankerkette kaum 5 Meter sehen. Weiter draußen gibt es Bojen für Tauchboote und Dinghis. Dort fahren wir mit unserer Mitzi hin. Nach einer Viertelstunde unter Wasser brechen wir ab. Das Riff ist an dieser Stelle versandet. Fische sind nur wenige da, eine Muräne versteckt sich in einer Höhle, ein Drücker drückt sich herum, alles in allem durch die schlechte Sicht leider heute nicht lohnend. Vermutlich müssten wir weiter raus, aber bei diesen Wellen gehen wir lieber auf Nummer sicher und fahren mit fast leerem Tank zurück zum Boot. In Tauchklamotten macht es ja nichts, wenn das Wasser ins Boot spritzt, aber hier kommt dann doch durch den Wind und die relativ hohen Wellen ziemlich viel Wasser ins Beiboot. Kerstin setzt sich mit dem Rücken zur Welle, Martin lenkt das Beiboot mit Taucherbrille und Schnorchel um bei dem fliegenden Wasser Luft und Sicht nach vorne zu bekommen. Das ist zwar kurz einmal ganz lustig, aber wir sind dann doch froh, wieder auf der Infinity anzukommen. La Parguera ist ein sehr schöner Ort, allerdings nicht besonderes Yachties-konform. Es gibt keinen öffentlichen Dinghi-Steg. Eine Tauchschule hat hinter ihrem Gebäude Platz für zwei Dinghis und sperrt den Zugang dazu nicht ab. Hier sind viele heimische Touristen zu finden, die Corona-Vorschriften werden leidlich erfüllt, die Polizei kommt ab und zu mit ein paar Mountainbikes vorbei.

Nicht das Wetter, sondern Corona macht unseren Zeitplan: PCR-testen, Tests elektronisch an die Bahamas senden, Testzeitfenster bei der Ankunft nach 72 Stunden segeln einhalten, ausklarieren, 30 Formulare ausfüllen: „nein wir haben noch immer keinen Husten, nein wir wollen nicht 10.000 Dollar in bar importieren, noch immer keine Waffen an Bord“ und so weiter und so fort.  Nachdem wir uns ja freiwillig auf Reisen befinden, sind die damit verbundenen Tätigkeiten natürlich das reinste „Vergnügen“. Während Kerstin selig schlummert, „amüsiert“ sich Martin ganze 4 Stunden damit, die laufend abstürzenden Online-Formulare für die Bahamas auszufüllen und die erforderlichen Dokumente hochzuladen. 

Sonntag geht es mit dem Taxi nach Aguadilla. In einem Strandlokal finden wir auf der Speisekarte eine Vorspeisenplatte und fragen, wie viele Portionen wir davon für drei Personen bestellen sollen. Die Kellnerin meint, eine wäre ausreichend. Wir bestellen einen Teller und erhalten eine Platte, die zu dritt mit Riesenhunger unmöglich zu bewältigen ist. Auf die Hauptspeise müssen wir leider verzichten. Das Übergewicht der Einheimischen ist uns damit auch nicht weiter ein Rätsel. Von hier aus möchten wir mit dem Taxi weiter zum nahegelegenen Flughafen, um unser Mietauto abzuholen. Einige nette Menschen am Nachbartisch beginnen für uns zu telefonieren um ein Taxi zu finden. Hoffnungslos. Daraufhin bietet uns ein Mann vom Nachbartisch an, uns hinzubringen. Er ist eine wahre Frohnatur, erzählt uns von Puerto Rico und den USA, wo er lange als LKW-Fahrer gearbeitet hat. Er will nicht einmal Geld annehmen für das Fahren, aber zu dritt können wir ihn überreden. Der Mitarbeiter der Leihwagenfirma bewirbt sich nicht um den Posten für den Mitarbeiter des Monats und vermietet missmutig das letzte Auto für den heutigen Tag an uns, das mit einem europäischen Führerschein gleich mal um 50 % teurer ist wegen der Versicherungskosten. Die Europäer sind auf amerikanischem Boden offenbar heillos unterversichert oder sehr schlechte Fahrer.

Wir machen uns um 5 Uhr morgens auf den Weg, um rechtzeitig zum PCR-Test in San Juan anzutreten. Danach einen Abstecher in den Marineshop und einen Spaziergang durch die wunderschöne spanisch anmutende Altstadt von San Juan mit historischen Gebäuden und der Geburtsstätte des Pina Colada. Als kulinarischen Abschied von Puerto Rico essen wir noch in einem netten kleinen Lokal, Kerstin einen Salat und Martin das Nationalgericht „Kan Kan“. Dabei handelt es sich um eine riesige Schwarte Fett mit wirklich zartem Fleisch dazwischen an einem Monster-Knochen, mit dem ein hungriges Rudel Wölfe eine ganze Zeit lang ihr Auskommen hätte. Martin bekommt gerade mal ein Drittel von dem Monstrum runter. Wahnsinn, aber sehr gut.

Dann müssen wir leider noch Abschied von Peter nehmen. Ein komisches Gefühl, von nun an getrennt zu segeln, wenn man 3 Monate mit schönen Erlebnissen teilen durfte. Wir gehen gemeinsam Anker auf, bleiben noch eine Zeit in Funkkontakt, dann ist jeder auf sich alleine gestellt. Peter fährt die Dominikanische Republik an. Vor uns liegen 410 Seemeilen um nach Mathew Town auf Great Inagua Island – Bahamas zu gelangen. Dort werden wir dann erfahren, ob Martins Formular-Challenge von Erfolg gekrönt ist. Dann beginnt wieder ein ganz anderes Insel-Erlebnis ohne Berge und Regenwald, stattdessen türkise Sandstrände mit glasklarem Wasser und flachen Buchten.

4 Kommentare

  1. Leider nur per Schneckenpost, aber wenigstens nachträglich Alles erdenklich Gute zum Geburtstag lieber Martin!!!

    Vielen Dank! LG

  2. 👍👍👍So schön zu lesen, viele unserer Einschätzungen und Erfahrungen sind ähnlich. Besonders gefallen hat mir Euer Beitrag zum Puertoricanischen Essen🤣🤣🤣Das ist wirklich sehr speziell. Ich habe extra gegoogelt wie hoch die Übergewichtsrate in Puerto Rico ist. Laut Statistik sind nur 32% der Puerto Ricaner übergewichtig,. Aber vielleicht definieren sie hier Übergewicht einfach anders. Wir haben es sehr genossen als wir in San Juan zufällig ein authentisches französisches Bistro gefunden haben. Viel Spass auf den Bahamas, hoffentlich sehen wir uns dort noch einmal.

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