Der Atlantik ruft – Wir gehen an den Start

Nach knapp 9 Monaten Vorbereitungen kommt jetzt hoffentlich die problemlose Geburt unseres Vorhabens. Alle touristischen Ziele auf den Kanaren sind abgehakt, bleibt nur noch der letzte Check-Up. Die Listen dazu hat Martin ja lange genug vorbereitet und auch schon oft durchgearbeitet. Ein letztes Mal geht es in den Mast, Rigg, Segel, Leinen inspiziert, alles Relevante mit Silikonspray bzw. WD-40 eingesprüht und für gut befunden. Das Dinghi wird verzurrt, der Außenborder leergefahren, Motoren und sämtliche Leitungen überprüft. Dabei findet Martin auch noch Mitbewohner an Bord. Durch den Austausch vom Seewasser-Kühlschlauch ist der neue nun durchsichtig und man kann kleine Krebse im Schlauch schwimmen sehen. Alles wird auf Herz und Nieren überprüft, unser Autopilot noch einmal liebevoll mit dem Gabelschlüssel auf Vordermann gebracht. Schließlich gibt es bei ihm kaum Wachwechsel, Fredl muss fast durchgehend arbeiten. Alles muss so verpackt und verzurrt werden, dass nichts herumfliegt, nichts über Bord gehen kann, nichts scheppert oder kaputt geht. Sicherheitsrichtlinien werden wiederholt, alle Geräte getestet und upgedatet, das Satellitentelefon wieder angemeldet und noch einmal das Unterwasserschiff poliert. Schließlich wollen wir ja nicht von Algen gebremst werden, sondern mit glattem Rumpf durch die Wellen gleiten.

Prinzipiell haben wir für die Atlantiküberquerung schon eine Generalprobe im Mittelmeer gemacht. Jetzt fühlt es sich aber noch einmal anders an. Die elektronischen Seekarten werden hochgeladen und auch die Papierkarten für Kanaren, Afrika und Karibik werden hervorgeholt. Dazu natürlich auch die Literatur für die Atlantiküberquerung. Sogar den Sextanten hat Martin ausgegraben. Mit dem neuen Fahrtenabschnitt kommt auch wieder die Frage nach der richtigen Versicherung auf, die wir noch vor der Überquerung wechseln.

Seit Wochen versuchen wir uns bezüglich Einschränkungen in der Karibik wegen Corona auf dem Laufenden zu halten, was allerdings ein nahezu aussichtsloses Unterfangen ist, da sich die Regeln bezüglich Einreise, Quarantäne und PCR-Tests täglich ändern. Mit ein wenig gesundem Menschenverstand müssten auch die Beamten der jeweiligen Länder verstehen, dass eine 3-wöchige Segelreise mit gleicher Crew mehr als 2 Wochen Quarantäne bedeuten und damit eine weitere Quarantäne erübrigen sollte. Leider geht es aber um Gesetze, die wie so oft nichts mit dem gesunden Menschenverstand gemein haben.

Falls wir wegen Corona heuer nicht durch den Panamakanal fahren werden, legen wir uns einen Plan B für die Hurrikansaison zurecht. Von April bis November sollte man nicht in der Karibik weilen. Dafür bieten sich die USA als sicherer Hafen an. Die Einreiseauflagen sind immens. Obwohl wir noch nicht wissen, ob wir wegen Corona überhaupt ins Land dürfen, beantragen wir schon einmal ein Visum und vereinbaren einen Interviewtermin in der amerikanischen Botschaft auf Barbados. Diese ist für uns die einzige erreichbare Botschaft. Damit hat sich auch Barbados für den ersten Landfall nach der Atlantiküberquerung angeboten. Wir füllen seitenweise Fragebögen aus, die neben noch verständlichen Dingen wie Name und Adresse auch sämtliche sozialen Netzwerke mit entsprechenden Namen wissen wollen, ebenso wie die letzten Telefonnummern privat und geschäftlich, Name des letzten Chefs sowie alle Reiseziele der letzten 5 Jahre. Das Formular beginnen wir bei A. Der erste Eintrag im Webformular lautet „Afghanistan“. Wir waren zwar nie dort aber das System verleitet dazu, auf den falschen Knopf zu drücken und schon ist man als Afghanistanreisender registriert. Für ein US-Visum nicht unbedingt die günstigste Destination aber das lässt sich trotz Reklamation und Korrektor via Internet nicht mehr löschen. Das darf Martin dann wahrscheinlich beim Interview erklären. Für das Interview gibt es dringende Empfehlungen wie zum Beispiel das Erscheinen in Anzug und Krawatte. Das Zeug schlummert bei uns irgendwo in den Bilgen und war eigentlich nicht ernsthaft für die Verwendung vorgesehen. Mal sehen ob wir das finden werden. Im Fragebogen bestätigt man unter anderem auch, dass man keinen Terroranschlag in den USA plant, niemanden umbringen und keine Kinder schänden will.

Nachdem wir uns für eine Überfahrt zu zweit gerüstet haben, ist unsere Überraschung groß, dass wir jetzt tatsächlich um fünf vor zwölf einen willkommenen Mitsegler bekommen. Michael kennen wir noch von meinem Studium in Aachen. Durch unsere Abreise und social distancing sind wir vermehrt durch soziale Medien mit Freunden in Kontakt. Mitten während den neuerlichen Beschränkungen in Deutschland erreicht uns die spontane Anfrage von Michael, ob wir ihn mit über den Atlantik nehmen würden. Wir überlegen uns die Liste von Todos um die Mitfahrt von Michael möglich zu machen. Wo ein Wille da ein Weg. Keine unlösbare Aufgabe. Zum Beispiel kann man die Crewliste zum Ausklarieren aktualisieren ohne mit dem Boot wieder nach Teneriffa zu müssen. Martin kann einfach hinfliegen. Michael hat natürlich auch einiges mit Arbeit, Familie und Flügen zu klären. Es findet sich für alles eine Lösung. Damit wird der Aktionismus vor der Abfahrt noch einmal angekurbelt. Martin bucht einen Flug nach Teneriffa und retour, die Vorräte werden aufgestockt. Dank Michael kommt sogar Schokolade mit an Bord und wir teilen uns die Wachen durch drei. Der Tank wird nochmal angefüllt, die letzte Wäsche gewaschen, der Wetterbericht verfolgt und auf das richtige Wetterfenster gewartet: Wir starten am 22.11.2020 nachmittags.

Die Route führt mit der vorherrschenden Windrichtung und Strömung wie schon zu Kolumbus‘ Zeiten erst Richtung Südwesten Richtung Kapverden. Wenn wir bis dahin keine Notwendigkeit haben, auf den Kapverden anzulegen, biegen wir dann nördlich der Kapverden wieder mit Wind und Strom Richtung Westen ab und lassen Barbados auf uns zurauschen. Die Überfahrt wird abhängig vom Wind ca. 2.800 Seemeilen lang sein und ungefähr 3 Wochen dauern. Nach so langer Vorbereitung freuen wir uns alle schon sehr darauf.

Über den folgenden Link via PredictWind kann man während der Überfahrt unseren stündlich aktualisierten Standort samt aktuellen Windverhältnissen abrufen: Standort

Wir sind dann mal kurz weg. In der Zwischenzeit wünschen wir euch eine schöne Zeit. Bleibt gesund und wir sehen und lesen uns wieder in der Karibik.

„Raus mit der Wäsche“

4 Kommentare

  1. Wow, klingt wie immer alles aufregend und wie nicht von dieser / meiner (Corona-)Welt… alles Gute für die Überfahrt und danke für die spannenden Berichte und tollen Fotos. So komm ich auch wohin…🙈😷
    Lg aus Steyr (Hochnebel bei 3 Grad)
    Andrea

  2. All the Best und das mit der Handbreit Wasser unter dem Kiel sollte die nächsten drei Wochen nicht das Problem sein.
    Bussi Karin und Andreas

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