Albanien ist ein Land voller Gegensätze genauso wie die Meinungen dazu. Es gibt viele Albanienfans, die immer wieder hinfahren. Die Menschen sind offen und freundlich, interessiert an Neuem und Fremden. Weitere Gründe sind das günstige Preisniveau und die schönen Strände.
Die Architektur ist noch überwiegend aus den 70er und 80er Jahren, sprich wenig charmante Betonbauten aus kommunistischer Zeit. Einzelne Städte erneuern das Stadtbild, was natürlich mit enormen Kosten verbunden ist. Allerorts gibt es neue Einkaufszentren, an der Küste und besonders in Strandnähe wird modernisiert. Bausünden werden nun viel seltener begangen und Fußgängerzonen werden eingeplant.
Yachties gibt es kaum. Das liegt mitunter an der fehlenden Infrastruktur. In der Bucht von Vlora liegt die eine einzige Marina Albaniens – Marina Orikum. Diese ist italienisch und nicht fertig gebaut. Hier gibt es auch den einzigen Vercharterer Albaniens mit einem einzigen Segelschiff. Der junge Herr hat in Wien Betriebswirtschaft studiert und möchte Albanien für die Segler öffnen.
Da Marinas praktisch nicht existieren, ist man auf Stadthäfen und Ankerplätze angewiesen. Als angehende Blauwasser-Segler ist es daher ein ideales Trainingsgebiet. Die Stadthäfen sind allesamt Industriehäfen mit hohem Betonsteg, dazugehörigem Lärm und Dreck. Aber das wird mit der Herzlichkeit der Bewohner wettgemacht. Aufgrund fehlender Inseln gibt es in Albanien nur ganz wenige Buchten, die gegen südwestlich geschützt sind. Der vorherrschende Wind im Sommer kommt aber von ebenda. Daher ist Ankern zeitweise nur mit Schwell und zum Teil auf Legerwall möglich. Ein solides Grundgeschirr ist da schon erforderlich. Der Wind kommt pünktlich am Nachmittag und bläst angenehm bis in die Abendstunden. In der Nacht ist es ruhig außer es kommt dicke von den Bergen herunter. Das ist in drei Nächten passiert. Wir haben aber Glück, da wir jedes Mal gut vertäut sind. Sonst hätten wir wohl sorgenvoll und abfahrbereit schlafen müssen.




























Die Buchten suchen wir nicht nur sorgfältig aus, sondern fahren sie auch vor dem Ankern vorsichtig ab, da die Tiefenangaben in den elektronischen Navionics-Karten in den Buchten komplett falsch sind. Während man laut den Karten schon auf dem Trockenen sitzt, zeigt der Tiefenmesser 40 Meter Wassertiefe. Daher ist man gezwungen, näher an Land zu ankern, was bei auflandigem Wind und Schwell nicht wirklich entspannend ist. Daher fertigen wir an jedem Ankerplatz neben dem Ankeralarm eine Zeichnung mit Peilungen und Entfernungen an, die wir mehrmals täglich kontrollieren. Das Schiff verlassen wir nur, wenn kaum Wind ist oder wir das Schiff vom Land aus im Blick haben.
Gut, dass wir auch einen Revierführer als Zweitmeinung zu den Charts zu Rate ziehen können. Dort sind ganz viele Buchten eingezeichnet, die zur Hälfte für uns geeignet sind. Eine Überraschung sind die unzähligen Fischfarmen. In der Nähe von Vlora sind sämtliche Buchten damit angefüllt. Leider ist die Kennzeichnung und die Verzeichnung in den Seekarten enden wollend. Ankern sollte man daher nicht im Dunkeln. Ganz im südlichen Zipfel der Bucht von Vlora gibt es einen ehemaligen Militärhafen, der gerade an die Türkei vermietet ist. Gleich daneben finden sich antike Ausgrabungen, die mit den verfallenden Betonbauten konkurrieren.
Als wir in dieser Bucht ankommen, dämmert es bereits. Die ausgesuchten Ankerplätze sind voll mit Fischfarmen. Der Militärhafen könnte eine Alternative sein. Leider gibt es genau dort gerade einen Waldbrand und ein Löschhubschrauber holt laufend Wasser aus dieser Bucht was sie für uns an diesem Abend unbrauchbar macht. Eine kleine Nebenbucht scheint noch möglich zu sein beim gegenwärtigen Leichtwind. Wir ankern daher auf 25 Metern mit etwas Bauchweh, allerdings hält der Anker gut, sodass wir zwei Tage zum Schwimmen und Schiff putzen bleiben. Hier erledigen wir auch ein paar von den 100 Punkten auf der Service- und Reparaturliste. Großes Lob und danke an Martin, dass er alles dokumentiert und konsequent an den Punkten arbeitet. Ich muss gestehen, dass ich mich da sehr auf ihn verlasse. Natürlich bin ich auch nicht untätig, aber sicher nicht so gut organisiert. Ich bin eher der kreative Teil, wenn es um provisorische Lösungen geht. Zu den an Bord vorhandenen favorisierten Arbeitsmaterialien gehören Superkleber, Gewebeband, Kabelbinder, Klettverschlüsse und Seile. Wie heißt es so schön: „Alles was man nicht mit einem Hammer reparieren kann ist sowieso Glumpert.“
Bei der Ankunft liegt unser Ankerplatz zwar verlassen und einsam da, am folgenden Tag müssen wir aber feststellen, dass durch diese Bucht die einzige Straße zu den Fischfarmen führt, die von Arbeitern und LKWs frequentiert wird. Am ersten Tag schauen die Vorbeikommenden noch ungläubig und am zweiten Tag werden wir schon mit Hupen freundlich gegrüßt – wir gehören also praktisch bereits zum Inventar der Bucht.
Da das Wetter schlechter werden soll und wir doch einmal wieder das Schiff entsalzen sollten und außerdem das erste Mal tanken müssen seit wir unterwegs sind, übersiedeln wir in die Marina Orikum. Der einzige passende Platz für uns liegt genau an der Außenseite einer Mole. Dort ist leider eine Muringleine des Hafens zu kurz, sodass wir am Nachbarschiff festmachen müssen. Wie immer an solchen Orten lernen wir interessante Menschen kennen. Kim und Stephen sind Australier, die in Griechenland ein Schiff gekauft haben um damit Kroatien und Montenegro zu erkunden. Seit Oktober 2019 sind sie schon in der Marina. Zuerst wollten sie segeln üben, dann einen nicht zu kalten Platz zum Überwintern haben und zum Schluss hat Corona ihnen die Weiterfahrt vermasselt. Das war auch ein gefundenes Fressen für die albanischen Medien. So haben sie zwei Fernsehinterviews gegeben, beim dritten haben sie dann abgelehnt. Ein sehr nettes, witziges, interessiertes und unkompliziertes Paar. Sie haben uns gleich auf einen Drink eingeladen und sind zur verabredeten Zeit mit Kühltasche und Gläsern auf unserem Boot erschienen. Wenn es eine Party gibt, sind halt Katamarane wegen dem Platzangebot am beliebtesten. Ardi, der Allrounder der Marina gesellt sich zu späterer Stunde dazu und es wird richtig lustig. Von Ardi bekommen wir Tipps für Ankerplätze samt WhatsApp Nummer, damit wir ihn jederzeit konsultieren können. Da er als Skipper, Mechaniker und technischer Leiter der Fischfarm breit aufgestellt ist, hat er überall Freunde, deren Hilfe er uns gleich mitanbietet. Am zweiten Abend ist unser Schiff praktisch schon das Marina-Gasthaus. Es kommen allerlei Leute auf einen Tratsch und ein Gläschen vorbei und Ardi stellt uns den einzigen Vercharterer Albaniens vor.
Von der Marina aus besuchen wir Vlora. Der Taxifahrer hat uns gleich zum Festpreis die wichtigsten Sehenswürdigkeiten gezeigt und uns an der Altstadt aussteigen lassen. Diese besteht aus einer kurzen Straße mit einem kleinen Platz, was im positiven Sinne so gar nicht zum Rest der Stadt passen will. Es erinnert so ein bisschen an die alten Häuser in Spanien oder Portugal und ist leergefegt, nur ein einziges Café ist geöffnet. Dort kommt der bestellte Cappuccino als Eiskaffee. Bei der Hitze eine wohltuende Überraschung. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, unter anderem eine sehr alte Moschee, reihen sich entlang einer Straße, die zum Hafen führt.
Da in Albanien fast alles mit Bargeld bezahlt wird, laufen uns die Leks nur so durch die Finger, sodass wir alle naselang einen Bankomaten brauchen. Und siehe da, überall gibt es Bankautomaten von der Raiffeisenbank in modernen Bankshops. Da fühlt man sich wie daheim.
Von Orikum aus fahren/segeln wir nach Porto Palermo, einer geschützten Bucht mit viel Geschichte und ehemaligem Militärstützpunkt. Der einzige wirklich gut geschützte Ankerplatz ist zwar leer, aber auch durch das Militär gesperrt. Es gibt allerdings einen verfallenden Betonsteg. Für uns eigentlich zu hoch, mit rostigem Eisen durchsetzt und die Poller sind für Großschifffahrt ausgelegt. Dazu gibt es ca. 60 cm Tidenhub. Klingt nicht viel, ist aber bei diesem Steg grenzwertig, weil man bei Niedrigwasser beinahe unter dem Steg weilt. Mit rostigem Eisen, vielen exakt platzierten Fendern und gutem Willen lässt sich der Betonsteg trotzdem in einen schützenden Hafen verwandeln. Immerhin findet sich hier neben einem netten Restaurant mit sensationellen Lammripperl (die Martin hier drei Mal gegessen hat) eine komplett erhaltene Festung des Herrschers Ali Pascha aus dem 19. Jahrhundert. Der kleine Kiesstrand ist in Schwimmnähe. Viele Besucher kommen neugierig zum Schiff und ein tschechisches Paar aus Brünn möchte eine Führung, die sie natürlich bekommt. Ein junger Mann legt sich für ein Selfie in das Netz am Vorschiff hinein und allerlei Motorbootfahrer kreisen.
Eigentlich sollte Tunesien für Österreicher am 1. Juli öffnen. Ein perfekter Trittstein für unsere Weiterreise. Am 2. Juli erfahren wir aber, dass dies nicht von Albanien aus möglich ist, weil das Land derzeot zu viele Corona-Fälle aufweist. Die Entscheidung, länger in Albanien zu bleiben fällt uns leicht, da wir nicht 2 Wochen in tunesische Quarantäne wollen.
Daher bummeln wir durch Buchten bis zu unserem Ziel Ksamil im Süden Albaniens. Eine Bucht davon wird von Kühen bewohnt, die im Meer zwischendurch ihre Euter kühlen und dabei laut muhen. In der Kakomea Bucht sollte mal eine Ferienanlage gebaut werden. Auf Google Maps kann man am Satellitenbild die bereits angelegten Wege erkennen. Vom Wasser aus sieht man allerdings nur den schönen Strand und Gestrüpp. An einer unfertigen Bar wird fleißig gezimmert. Auch hier gibt es einen rostigen hohen Betonsteg, der uns zur Befestigung der Landleinen dient. In der Nachbarbucht gibt es laut Karte eine Bar, sodass wir dorthin einen Beiboot-Ausflug machen. Nach 10 Tagen Pause springt der Außenborder tadellos an, Mitzi verliert allerdings langsam Luft an ihrer Steuerbordseite. Ein Leck können wir nicht entdecken. Vielleicht ist es ihr auch einfach zu heiß hier. Die Bar findet sich in der hintersten Ecke der Bucht, die anmutet wie ein Seychellen-Strand mit großen Steinbrocken. Die Bar ist zwar kaum mehr als eine Blechhütte. Aber der Fisch ist der beste, den wir bisher gegessen haben, ebenso der griechische Salat, dazu gekühltes Bier und danach türkischen Kaffee. Herz, was willst du mehr.
















Ksamil ist ein schöner, moderner Badeort mit Sandstränden. Theoretisch gäbe es auch einen geschützten Ankerplatz, praktisch sind aber alle guten Plätze mit Leinen für Schwimmer abgetrennt. Daher ankern wir an einem nicht perfekten Ankerplatz. Mittlerweile sind wir da schon in Übung und beim dritten Anlauf erwischen wir den kleinen Sandspot, in dem der Anker sehr gut hält. Wir mieten ein Auto für einen Ausflug nach Butrint, einer wirklich sehenswerten archäologischen Stätte – zu Recht ein UNESCO Weltkulturerbe. Ein besonderes Plus ist die Tatsache, dass die Wege zum größten Teil bewaldet sind und man daher zum Kulturgenuss immer ausreichend Schatten findet.
So ein Mietauto für einen Tag will klug genutzt werden. In Albanien gibt es keine Tankstelle für Segelyachten. Große Yachten bekommen den Treibstoff an den Steg geliefert aber das zahlt sich für unser windgetriebenes sparsames Schiffchen nicht aus. So muss man eben mit Kanistern mit dem Mietauto zur Autotankstelle. Eine große Wäsche ist auch fällig. Google Maps spuckt ein Hotel als Wäscherei aus. Dort ist man positiv erstaunt über unsere Anfrage. Weiter geht es zum Wäsche abholen und verproviantieren. Für die Fahrt vom Steg zum ankernden Schiff leisten wir uns ein kleines Ausflugsboot mit Fahrer. Dieser hilft uns freundlicherweise mit einem Mitfahrer beim Ein- und Ausladen. Gezahlt wird in Lek und in Bier – der stabilsten Währung. Am Abend gehen wir in nette Strandbars, immer mit freier Sicht auf unser Boot – nur für den Fall… Gerade bestellen wir einen Cocktail mit Schisha, da sehen wir ein Boot mit voller Party-Beleuchtung an unserem liegen. Das blaue Licht lässt erahnen, dass es sich um die Polizei handeln muss. Mit stornierter Bestellung machen wir uns sofort auf den Weg, fragen einen Lamd-Polizisten, der Pizza essend an seinem Auto lehnt, ob er den Kollegen am Boot anfunken kann. Er ignoriert uns wahrscheinlich aus sprachlichen Gründen oder auch weil die Pizza kalt werden könnte. Also müssen wir uns selbst zum Boot bemühen. Die Polizisten an Bord sind entspannt und freundlich, fragen nach den Papieren. Alles in Ordnung. Das war es schon und „good bye“.
Am 12. Juli feiern wir dann meinen 50er in dem Lokal mit der stornierten Bestellung vom Vortag. Wir haben einen super Tag, den letzten in Albanien. Morgen geht es in aller Frühe auf Richtung Westen. Tunesien lassen wir wegen der COVID-Bestimmungen aus, wir fahren gleich nach Melilla – Spanien. Das sind über 1.000 Seemeilen und 11 bis 14 Tage durchgehend auf See ohne Land. Das wird ein erster echter seglerischer Prüfstein für die geplante Atlantiküberquerung, die nicht viel länger dauern soll.